„Durch Spielen lernen wir“ – Interview mit Wibke Ladwig zu #meinweginsweb

Nach Anke von Heyl und Ute Vogel kommt heute nun noch die dritte im Bunde der Herbergsmütter in meiner Interviewreihe zu Wort: Wibke Ladwig. Wir folgen uns nicht nur schon lange gegenseitig auf verschiedenen Kanälen, sondern hatten auch schon anlässlich des stARTcamps Köln und der deutschen Version von Tamar Weinbergs Social-Media-Buchs miteinander zu tun. Außerdem entdeckte ich durch sie „Das Hotel zur Sehnsucht“, ein träumerisches Buch, das ich seitdem mehrfach selbst verschenkt habe. Hier erzählt Wibke von ihrem Weg ins Web:

Wibke Ladwig

Bitte stelle Dich kurz vor (Name, Ort, Tätigkeit, Website, Facebook, Twitter, Google+, drei Hashtags)

Ich heiße Wibke Ladwig und lebe in Köln. Als Social Web Ranger und Ideenkatalysatorin begleite ich mit Sinn und Verstand Menschen im Landschaftsraum Internet. Ich beschäftige mich vor allem damit, wie man mit Geschichten und Kreativität im digitalen Raum Projekten und Institutionen Sichtbarkeit und Relevanz verschaffen und Schnittstellen zum analogen Raum einrichten kann.

Mein Büro im Internet ist sinnundverstand.net. Über Abseitiges und Alltägliches blogge ich in meinem Denkarium. Bei Tumblr findert man auch mein #printtwitter, Lakritzel und mein sporadisch gepflegtes Kochblog Papperlahapp. Am besten erreicht man mich über meine Großraumbüros Facebook und Twitter. Mein Büroleiter ist ebenfalls bei Facebook vertreten. Instagram ist meine knallbunte Spielwiese. Google+ vergesse ich immer ein wenig, liebe aber die Hangouts dort. Einen unvollständigen Überblick über meine Dienststellen im digitalen Raum findet man bei Flavors.

Als eine der Herbergsmütter kümmere ich mich im zweiwöchentlichen Wechsel ums Blog und die Dependancen bei Twitter und Facebook.

Meine Hashtags wechseln munter nach Bedarf und Anlaß, aber #storytelling #schabernack #spielkind stimmen immer.

Seit wann bist Du online unterwegs, wann hast Du angefangen zu bloggen und wann bist Du dem ersten sozialen Netzwerk beigetreten? Wie bist Du dazu gekommen?

Den genauen Zeitpunkt erinnere ich nicht mehr. Ich hatte recht frisch mit meinem Studium begonnen (damals©) und meinen ersten eigenen Computer, einen 368er mit sagenhaften 40MB Festspeicher und 4MB Arbeitsspeicher. Internet war zunächst nicht vorgesehen. Meine ersten Begegnungen mit diesem Internet hatte ich dann vielleicht um 1994 oder 1995 herum am Computer meines damaligen Freundes, der in einem Aachener Studentenwohnheim mit einem Zugang zum WWW gesegnet war.

Ich erinnere mich noch gut an eine Art Second-Life-Welt, in der man seinen Avatar durch Räume bewegte und mit irgendwelchen Menschen aus Malaysia oder Boston sprach. Das fand ich wahnsinnig abgefahren und aufregend. Später wurden dann auch Games spannend, die man online spielen konnte, etwa Ultima Online oder Diablo II. Immerhin mußte man nun nicht mehr seinen Fuhrpark für eine kleine LAN-Party ins Auto hieven und irgendwohin bringen … Ohnehin habe ich über Games sehr viel über die Handhabung und Möglichkeiten meines Computers gelernt, vom Anpassen des Speichers bis zum ersten Virus.

Meine erste Mailadresse hatte ich bei gmx. Sie existiert immer noch, wenn ich sie inzwischen nur noch für Newsletter oder Gewinnspiele nutze.  Mein erstes soziales Netzwerk war skurrilerweise Friendscout24. Ursprünglich war das keine explizite Dating-Plattform, sondern es gab eine Weile lang fabelhafte Gruppen für Musik und Bücher. Facebook und Twitter trat ich 2008 bei.

Dass das Internet mich auch in unternehmerischer Hinsicht interessierte, stellte ich fest, als ich 2000 bei der Lehmanns Fachbuchhandlung zu arbeiten begann. Dort lief die Kommunikation über Mailinglisten und eine Art Intranet. Außerdem hatte Lehmanns als eine der ersten Buchhandlungen einen Web-Shop und ein selbstentwickeltes Warenwirtschaftssystem. Mir gefiel das alles sehr! Mit dem Bloggen habe ich allerdings erst recht spät begonnen, erst 2010. Ich frage mich selbst, was mich so lange abhielt. Seit 2001 lese ich Blogs. Einen davon immer noch: den Schockwellenreiter.

Gab es Menschen, die Dich persönlich oder durch Ihre Veröffentlichungen bei Deinem Einstieg ins Social Web begleitet haben?

Ich verfolgte schon recht früh, was die Amerikaner mit dem Social Web anstellten, etwa Gary Vaynerchuk. Ansonsten bin ich vorgegangen wie immer, wenn mich etwas interessiert: ich grabe mich hindurch, versuche möglichst viel zu erfassen, probiere alles mögliche aus und mache mir meine eigenen Gedanken dazu. Erst dann sehe ich mir an, was andere darüber gedacht und geschrieben haben. Das Unmittelbare, Spielerische und Persönliche gefiel mir von Anfang an sehr gut an Social Media.

Die Art der Kommunikation und Vernetzung kommt mir persönlich sehr entgegen. Mit der klassischen Kommunikation und dem One-to-many-Prinzip habe ich oftmals gehadert, insbesondere als ich interimsweise die Unternehmenskommunikation für die Patmos Verlagsgruppe übernommen hatte, wo ich bis Ende 2009 arbeitete.

Ich entsinne mich noch gut, wie ich damals das Cluetrain Manifest für mich entdeckt und geradezu aufgesogen hatte. Mein erstes Buch zum Thema war Social Media Marketing von Tamar Weinberg. Ich grinse etwas schuldbewusst. Denn inzwischen habe ich es gemeinsam mit einer Kollegin zweimal für den deutschen Markt bearbeitet und, nun ja, ich finde, es ist dadurch viel besser geworden. 🙂

Wie hat sich Dein Weg in Sachen digitale Kommunikation dann bis heute weiterentwickelt (nenne die wichtigsten Meilensteine)?

Als ich mich 2010 selbstständig machte, kam ordentlich Bewegung in die Sache. Vorher war ich als Online Manager im Verlag so etwas wie die berühmte Eier legende Wollmilchsau. Ich hatte alles auf dem Tisch, das mit www, @ und E-Themen zu tun hatte, war also Webmaster und Online-Redakteur sowie etwa für E-Mail-Marketing, Bannerwerbung, Blogger Relations, E-Commerce, Suchmaschinenoptimierung, Ebooks, Apps und Social Media zuständig.

Nach und nach stellte ich fest, dass ich gar nicht mehr alle Themen beackern muss, sondern dass es sogar sinnvoll ist, sich thematisch zu fokussieren. Durch verschiedene Projekte, ein Coaching und viele Begegnungen gerade durch Social Media haben sich für mich „meine“ Themen herauskristallisiert, die sich als roter Faden durch meine bisheriges Leben und Arbeiten ziehen – und in denen ich einfach gut bin: Kreativität, Ideenfindung und Storytelling. Den digitalen Raum sehe ich hierbei als selbstverständliche Erweiterung des analogen Raums. Projekte, die beides miteinander verbinden, sind mir am liebsten.

Haha, ein Meilenstein ist aber in der Tat wesentlich für die Entwicklung meiner digitalen Kommunikation: mein Smartphone! Ich habe mich aus verschiedenen Gründen lange dagegen gesträubt. Als ich dann mein erstes iPhone hatte, mochte ich es schon nach einer halben Stunde nicht mehr missen. Twitter nahm für mich Fahrt auf – und seitdem ich Instagram nutze, gehe ich mit offeneren Augen durch die Welt und freue mich, wenn ich meine Entdeckungen sofort und unkompliziert festhalten kann.

Gibt es Fehler, die Du auf Deinem Weg gemacht hast und wie können andere diese vermeiden?

Früher mit Bloggen anfangen. Und von Beginn an die Listen bei Twitter pflegen. Mein Twitteraccount ist grauenvoll unaufgeräumt. Gut, dass sich immer etwas Wichtigeres findet, als sich darum zu kümmern. Interviews ausfüllen, zum Beispiel…

Welche Wege empfiehlst Du Einsteigern oder denen, die sich in Sachen digitale Kommunikation fortbilden wollen?

Ich halte es für sehr wertvoll, eigene Erfahrungen zu sammeln. Inzwischen gibt es zwar Arbeitgeber, die Fortbildungen gestatten oder gar zahlen. Aber meines Erachtens sollte man sich nicht darauf verlassen oder gar abwarten, bis es soweit ist. Man braucht kein IHK-Zertifikat oder die Urkunde irgendeiner Social-Media-Fortbildungsstätte, um Social Media nutzen zu dürfen. Zumal man sich darüber im Klaren sein sollte, dass sich der digitale Raum und die Mediennutzung rasant entwickelt und verändert. Hier muß man dran bleiben und kann sich nicht zurücklehnen, nur weil man einmal in einem Seminar saß und etwas gelernt hat.

Wer sich mit einem eigenen Blog oder Accounts bei Instagram, Youtube oder Twitter ins Getümmel stürzt, erfährt unmittelbar aus Nutzersicht, was funktioniert, was sich verändert, was stört und wie man sich am besten verhält. Das sind nützliche Erkenntnisse, insbesondere wenn man das Social Web unternehmerisch nutzen möchte. Außerdem entspannt es enorm, wenn man dieselben Irritationen und Fragen bei anderen erlebt, etwa wenn Facebook uns mal wieder mit lustigen Neuerungen oder Disfunktionen an der Nase herumführt.

Davon abgesehen halte ich nach wie vor Bücher für sehr hilfreich. Aber das ist natürlich abhängig vom persönlichen Lerntyp. Alles mögliche steht auch im Internet. Der lineare Aufbau eines Buchs und die Nachvollziehbarkeit der Gedanken von Autoren kann einem aber in der Tat Zeit sparen und beim Verständnis helfen.

Welches ist Dein bevorzugtes soziales Netzwerk und warum?

„Twitter!“ hebe ich an zu rufen. Aber ist das noch so? Über Twitter habe ich die meisten Menschen kennengelernt. Viele von ihnen habe ich jenseits aller Bildschirme getroffen und manche sind Freunde geworden. Über Twitter sind Projekte und Kooperationen entstanden. Nach wie vor ist es ein sehr besonderer Dienst.

Aber es hat sich auch eine komische Empörungskultur entwickelt. Manche Themen kann man kaum mehr anschneiden, ohne dass eine Art Sitten- oder Moralpolizei den Account belagert. Befremdlich. Insofern hat sich Instagram eigentlich zu einem Lieblingsnetzwerk entwickelt. Neben all den Nägellackier- und Entenschnutenmädchen gibt es dort wunderbare Projekte von und mit kreativen Menschen und eine angenehm entspannte Kommentarkultur. Allein das Projekt @thisaintartschool hat mein Leben sehr bereichert.

Welche aktuellen Entwicklungen in der digitalen Kommunikation findest Du besonders spannend?

Spannend, aber leider auch unpraktisch für meine Arbeit finde ich, dass durch die Herausforderungen der digitalen Kommunikation Schwachstellen oder gar Mißstände in der Kommunikationsstrategie von Unternehmen und Institutionen sichtbar werden. Da wir noch weit von einer digitalen Gesellschaft entfernt sind, ist der Spagat zwischen eingeführter klassischer und je nach Zielgruppe und Angebot sinnvoller digitaler Kommunikation vielerorts notwendig.

Social Media ist meinem Eindruck nach eine Art Seismograph für die Unternehmenskultur. Es offenbart sich bei der Entwicklung einer Social Media Strategie rasch, wenn die Unternehmenskultur gestört oder erst gar nicht vorhanden ist. Deshalb lassen sich viele Ideen auch nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen umsetzen. Ich freue mich immer, wenn Unternehmen sich auf ein Projekt einlassen und es als Chance begreifen kann, die Erfahrungen sowohl für die interne als auch für die externe Kommunikation nachhaltig zu verwerten. Das sind die Projekte, die auch über einen Aktionszeitraum hinaus wirken – und das finde ich dann in der Tat spannend. Denn kaum etwas ist wohl heikler als Veränderungen in laufenden Prozessen.

Gibt es noch etwas, das Du den Lesern zum Thema Social Web oder digitale Kommunikation allgemein mitgeben möchtest?

Ein paar warme Worte zum Schluß? Hm. Für digitale Kommunikation gilt das, was für alle Unternehmungen gilt: was man nebenher oder halbherzig macht, wird auch genauso bei anderen ankommen: halbherzig. Ich wünsche mir eine kritische, professionelle, gleichwohl spielerische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Kommunikation. Durch Spielen lernen wir. Spielen funktioniert nur mit Regeln, die wir im Spiel auf ihre Praktikabilität prüfen. Ein Spiel macht Vergnügen, wenn wir uns darauf einlassen. Miteinander spielen macht nur Spaß, wenn man nicht alles gleich persönlich nimmt. Lasst uns also mehr spielen. Im Ernst!

Vielen Dank  fürs Mitmachen, Wibke! :)

Als nächstes wird Lars Hahn diese Fragen beantworten.
Alle Interviews können nachgelesen werden unter
http://www.annetteschwindt.de/tag/meinweginsweb/


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