Social Media verändern nicht nur unsere generellen Kommunikationgewohnheiten, auch die Kommunikation in Social Media selbst verändert sich immer weiter. Dazu gehört zum Beispiel der Trend zum Markieren statt Teilen.
Auf meiner Facebookseite habe ich – ganz im Gegesatz zu anderen Seitenbetreibern – relativ selten beobachtet, dass Leser andere ohne zusätzlichen Text in Kommentaren markieren (taggen), um sie auf einen Beitrag aufmerksam zu machen. So ein Kommentar besteht also nur aus einem Namen, der mit dem dazugehörigen Profil verlinkt ist – nichts weiter:
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Diese Vorgehensweise ist gerade unter jüngeren Nutzern schon länger gebräuchlich und vermutlich aus Instagram übernommen worden, wo man andere bis vor Kurzem nur auf diese Weise auf einen Beitrag aufmerksam machen konnte. Bereits Anfang Juni habe ich diese Art des Weitersagens auf meiner Facebookseite zur Diskussion gestellt. Hier die Antworten in der Zusammenfassung und weitere – v.a. rechtliche! – Anmerkungen dazu:
„Geht am schnellsten“
Die am häufgisten genannte Begründung betraf die Einfachheit des Vorgehens. Gerade mobil haben einige Schwierigkeiten, etwas an andere weiterzusagen. Denn während das Sharing ins eigene Profil via Teilen-Link schnell erledigt ist, muss man zum Weitersagen an andere erst weitere Auswahlen treffen und auch wissen wo diese zu finden sind.
„Diskussion zerfasert nicht“
Eine durchaus nachvollziehbare Begründung, ist das Zusammenhalten der Diskussion zu einem Beitrag an einem Ort. Wenn andere in das bereits laufende Gespräch reingeholt werden, können sie das schon Gesagte mitlesen und bereichern, statt dasselbe vielleicht nochmal an anderer Stelle zu wiederholen.
„Nicht zuspammen“
Interessanterweise empfinden es gerade jüngere Nutzer als störend, wenn sie von jemandem via Privatnachricht auf einen Beitrag aufmerksam gemacht werden. Einen Link per Privatnachricht sehen sie als Spam an, das Markieren/Taggen nur als Benachrichtigung. Den Faktor Privatsphäre sehen dabei leider nur wenige. Mehr dazu weiter unten…
„Beitrag merken“
Kurios fand ich die Antwort, dass markiert werde, um sich einen Beitrag zu merken. Markiert sich derjenige dann selbst (ja, das geht!)? Dazu gibt es doch bessere Möglichkeiten, wie z.B. die Link-Speichern-Funktion.
„Auf der rechtlich sicheren Seite bleiben“ (?)
Die für mich interessanteste Antwort betraf das Thema Recht! Denn wenn jemand ein Bild oder sonstige Inhalte, an denen er keine Recht hat, in Social Media teilt, macht er sich strafbar. Sagt jemand das dann vor dort aus weiter, macht der sich ebenso strafbar.
Wenn ich aber jemanden via Kommentar-Markierung auf einen Artikel aufmerksam mache, statt ihn weiter zu teilen, riskiere ich also keinen Rechtsverstoß hinsichtlich ungeklärter Urheberrechte. – Damit bin ich aber trotzdem nicht auf der rechtlich sicheren Seite! Mehr dazu weiter unten…
Eine Altersfrage?
Spannend fand ich, dass die eher jüngeren Diskussionsteilnehmer am Kommentartagging überhaupt nichts Besonderes fanden und das woanders als auf meiner Seite vermutlich auch öfter praktizieren. Sie konnten nicht nachvollziehen, warum die eher mittelalten (ca. 40 aufwärts) und älteren Nutzer dieses Vorgehen als unhöflich empfinden. Es sei schließlich offensichtlich, dass man damit etwas weitersagen wolle.
Die älteren Diskussionsteilnehmer wiederum beklagten den fehlenden Kontext: Warum wird das an den Markierten weitergesagt und ist das jetzt positiv oder negativ gemeint? Solche Kommentare störten den Lesefluss in laufenden Diksussionen, ohne etwas Substanzielles beizutragen.
Eine Frage der Privatsphäre!
Dass gerade auf Seiten, die ja per se öfentlich sind, eine solche Markierung in einem Kommentar den Markierten ungefragt öffentlich in einen thematischen Kontext setzt, schien auch nicht jeden Diskussionsteilnehmer zu stören.
Doch sowas kann sowohl für den Markierten als auch für den, der ihm markiert hat, schnell nach hinten losgehen. Zur Verdeutlichung:
Jemand taggt einen Freund ungefragt bei einem Seitenbeitrag zu einem heiklen Thema. Damit stellt er ihn nicht nur für seine eigenen und dessen Freunde, sondern öffentlich sichtbar in Kontext zu dem im Beitrag behandelten Thema! Was, wenn es dabei um arbeits- oder beziehungrelevante Themen geht? Um Gesundheitliches, oder um politisch extreme Meinungen? Würden Sie wollen, dass das jeder mitlesen kann? Und selbst wenn es in eingeschränkteren Sichtbarkeitseinstellungen passiert…
Mein Netzwerkpartner Christian Müller hat dazu auch ein Video online gestellt, das unter https://www.youtube.com/watch?v=IH1v6EGVGy0 angeschaut werden kann.
Eben NICHT rechtlich unproblematisch!
Wer glaubt, dass er mit dem Kommentar-Tagging auf der rechtlich sicheren Seite sei (siehe oben), mag damit zwar was das Vermeiden des Teilens von urheberrechtlich ungeklärten Inhalten angeht richtig liegen. Er kann aber trotzdem einen Rechtsverstoß begehen! Derjenige, den er markiert, hat nämlich ein Recht am eigenen Namen. Dazu Rechtsanwältin Astrid Christofori:
Namen dürfen – wenn kein Informationsinteresse der Allgemeinheit vorliegt – eigentlich nur genannt werden, wenn der Genannte eingewilligt hat. Grundsätzlich darf jeder Mensch nämlich selbst entscheiden, ob beziehungsweise in welchem Zusammenhang sein Name genannt wird. Das ergibt sich für die Namensnennung im Internet vor allem aus der „Lindqvist-Entscheidung“ des EuGH.
Daraus resultierende Pflichten für Profilinhaber/Gruppen- und Seitenadmins:
Wird also jemand markiert – egal, ob ohne oder mit weiterem Text, und auch egal ,ob in einem Kommentar oder Beitrag – und der Markierte möchte das nicht, dann hat er das Recht, das Entfernen des Kommentars/Beitrags einzufordern. Er selbst kann das ja nicht tun, sondern nur der, der ihn markiert hat, und der, der die Präsenz, in die gepostet wurde, verwaltet. Rechtsanwältin Astrid Christofori erklärt:
Der Markierte kann einen Unterlassungsanspruch haben, wenn er sich durch die Markierung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt und er in die Namensnennung nicht eingewilligt hatte. Gerade bei für den Markierten möglicherweise unangenehmen oder brisanten Themen, die er selber bisher nicht öffentlich gemacht hat, ist daher eine schnelle Reaktion geboten.
Fazit
Das Markieren von anderen in Kommentaren ohne weiteren Text kann aus verschiedenen Beweggründen vorgenommen werden, kommt aber nicht bei jedem gleich gut an und kann auch schon mal die Privatsphäre verletzen. Wer die Kommentarmarkierung nutzt, um mögliche Rechtsverstöße zu vermeiden, liegt damit aber nicht unbedingt auf der sicheren Seite. Wer eine Webpräsenz verwaltet ist daher verpflichtet, Namensmarkierungen und -nennungen zu entfernen, falls der Markierte/Genannte das wünscht.
Haben Sie schon mal jemanden ohne weiteren Text in Kommentaren markiert, um ihn auf etwas aufmerksam zu machen, oder sind Sie schon einmal so markiert worden? Wie finden Sie das?
Danke an RA Astrid Christofori für das schnelle Beisteuern der rechtlichen Details!

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