Moment mal? War die Autorin dieses Beitrags nicht die, die jahrelang ein Handbuch für Facebook geschrieben hat? Jou, die bin ich. Allerdings bin ich bereits vor fünf Jahren aus dem Projekt ausgestiegen, weil es sich als zunehmend unmöglich erwies, die verschiedenen aber gleichzeitig auftretenden Update- und Testversionen sowie Darstellungsvarianten je nach Gerät in einem gedruckten Buch fassbar zu machen. Facebook hat sich irgendwann selbst überholt und fokussierte mir auch zu stark auf Werbung. Als Nutzer bin ich gleichwohl immer noch da, auch wenn ich nur noch mein Profil, Gruppen und v.a. Messenger nutze. Eigene Seiten habe ich gar nicht mehr und Werbeanzeigen habe ich bis auf wenige Tests gar nicht erst genutzt.
Nun hat Petra van Cronenburg das Thema Absprung von Facebook und seine Konsequenzen thematisiert und Stefanie Leo hat sich daraufhin auch gefragt, wie sich das wohl auswirken würde, wenn sie Facebook verließe und ihre Gedanken mehr im Blog festhielte (Beitrag nur für Freunde, ich habe aber die Erlaubnis, sie hier zu erwähnen/verlinken).
Beides löste rege Diskussionen aus. Dabei gingen mir folgende Gedanken durch den Kopf, die ich hier festhalten möchte:
- Facebook hat immer noch die meisten Mitglieder und ist eines der wichtigsten Werkzeuge zum Verbreiten von (in- und externen) Beiträgen. Zählt man Whatsapp und Instagram dazu, dann ist das die überwiegende Mehrheit. (Quelle: futurebiz.de, leider waren keine anderen möglichst aktuellen Sharing-Statistiken zu bekommen – wer welche weiß, bitte melden!) Wenn ich also möglichst viele Menschen erreichen will, dann komme ich an diesen Plattformen nicht vorbei.
- Ich sehe Facebook also als Weiterempfehlungs- und Diskussiones-Werkzeug, nicht als Plattform für die Erstveröffentlichung von Inhalten. Denn seine Inhalte nur auf Facebook (oder in einem anderen social network) zu posten, macht einen abhängig. Löscht man dort seine Präsenz, oder macht das Netzwerk zu, sind die Inhalte unwiederbringlich weg. Außerdem rutschen sie im Fluss des Feeds schnell außer Sichtweite und sind nach einer Weile nur noch hakelig wiederzufinden.
Meines Erachtens ist es daher klüger, die Inhalte, die Bestand haben sollen, in einem (möglichst selbstgehosteten) Blog zu veröffentlichen. Dort bin ich nicht von den Funktionen oder der Existenz eines Netzwerks abhängig, sondern bestimme selbst über Struktur und Wiederauffindbarkeit meiner Inhalte. Facebook und Co. nutze ich dann zum Weiterverbreiten meiner Artikel (s. Punkt 1 und die folgenden).
Mein Blog nenne ich deshalb die Basis meiner digitalen Komunikation, meine Präsenzen in social networks meine Außenposten (s. dazu Artikel von Melanie Kirk-Mechtel hier im Blog). - Facebook und andere Netzwerke dienen mir (wie schon in Punkt 2 angedeutet) nicht nur zum selbst Verbreiten von (meinen und fremden Inhalten), sondern gerade auch dem Entdecken neuer Inhalte, die mir von anderen empfohlen werden. Auf vieles würde ich gar nicht aufmerksam werden, wenn ich allein zugange wäre. Und auch der Austausch dazu fiele deutlich magerer aus.
- Jemand, der bereits seit einer Weile bloggt und seine Artikel via Facebook weitersagt, hat sich damit bereits eine Leserschaft erarbeitet. Diese wird vermutlich über Facebook auf einen Artikel aufmerksam, klickt ihn an, liest ihn und kommentiert dann wieder via Facebook. Oder man kommentiert gleich nur das Thema, ohne sich zum Artikel weiterzuklicken, nachdem man nur die Überschrift gelesen hat. Diese Kommentare fehlen zwar im Blog, kämen aber ohne Sharing erst gar nicht zustande und dienen auch als social signal für das Ranking in den Suchmaschinen.
Jemand, der jetzt erst zu bloggen anfängt, und seine Beiträge nicht über Facebook und Co. weitersagt und darüber interagiert, wird schwerlich gefunden werden. Ohne Sharing und Community-Arbeit läuft da nämlich gar nichts. Und diese Community aufzubauen wird in der Flut der Informationen selbst mit Facebook schon immer schwerer.
Dasselbe gilt meines Erachtes für jemanden, der Facebook verlässt und seine Beiträge dort nicht mehr selbst verbreitet. Mit viel Glück gibt es vielleicht ein paar Leute, die dem Blog dann noch via Feedreader folgen und die Beiträge dann ihrerseits via social networks weitersagen. Aber da würde man ja indirekt auch wieder von den Netzwerken dort profitieren. 😉 - Apropos Feedreader: Feed-was?, werden viele sagen. Und die, die wissen, dass man damit Blogartikel abonnieren kann, werden ihn kaum noch nutzen. Dazu sind die social Feeds einfach viel zu effektiv. Der ehemals beliebteste Feedreader von Google ist nicht umsonst gestorben, als die Feeds der social networks kamen. Sehe ich ein Facebokposting von einem Freund, der einen Beitrag empfiehlt und vielleicht schon kurz seine Meinung dazu sagt – am besten mit einer schönen Vorschau – ist das ein viel stärkerer Leseanreiz als nur das Auftauchen der nackten Überschrift in einer Liste.
- Ja, aber man kann doch die Blogartikel auch via E-Mail abonnierbar machen, werden jetzt die versierteren Blogger sagen. Ja, kann man. Aber seit der lieben DSGVO ist das auch nicht mehr so einfach. Und viele Blogger haben es auch schon vorher nicht gemacht, eben weil sie sich schon damals aufs Sharing in Facebook und Co. verlassen haben. Weil das die Sache nämlich ausmacht: Das Weiterempfehlen und zwar offen in die Welt hinaus (s. auch Punkt 8). Und seien wir ehrlich: Wenn wir all dieMedien, auf die wir via social Feed aufmerksam werden, per Mail abonniert hätten, würde das meiste ungelesen weggeklickt.
- Klar könnte ich mich fürs Sharing auf die Nicht-Facebook-Netzwerke beschränken. Das hätte aber eben deutlich weniger Reichweite. Ich bekäme weniger Interaktion, weniger social signals, was dann wiederum dazu führt, dass mein Blog in den Suchmaschinen absackt. Und die wären ja ohne die Hauptverteiler Facebook und Whatsapp meine beste Chance, überhaupt noch gefunden zu werden. Aber auch hier gilt: Wer neu anfängt, hätte so erst gar keine Chance…
- Und auch mal ganz abgesehen von der Verbreitung meiner Blogartikel oder anderer Empfehlungen und Gedanken: Mir würde der Austausch fehlen, den ich analog so gar nicht ersetzen könnte, da er zum Großteil mit Menschen stattfindet, die nicht in der Nähe, ja in anderen Ländern wohnen. Und das sowohl geschäftlich als auch vor allem privat! Klar könnte ich es via E-Mail versuchen, oder einen anderen Messengerdienst verwenden. Aber da bin ich dann eben auf 1:1 beschränkt, oder auf eine festgesetzte Gruppe. Es wäre jedenfalls deutlich komplizierter.
Fazit
Geschäftlich wird man auf die Nutzung von Facebook, Whatsapp und Instagram wohl kaum herumkommen. Es sei denn, man hat analog schon so viel zu tun, dass man auf digitale Kommunikation komplett verzichten oder sich auf andere Netzwerke beschränken kann.
Rein privat gibt es sicher ein Leben ohne Facebook. Meins wäre allerdings deutlich uninteressanter zumal ich als wenig mobiler Mensch vom digitalen Austsausch besonders profitiere. Mein Freundeskreis besteht inzwischen fast ausschließlich aus Menschen, die ich online kennengelernt habe. Selbst mein Bonner Freundeskreis (ich bin zugezogen) ist zuerst online, dann offline (durch einen Stammtisch zu digitalen Themen) entstanden. Wer aber mobil ist und vielleicht auch gut reisen kann, der findet sicher auch wie in der guten alten Zeit Menschen, mit denen er auf andere Weise in Kontakt bleiben kann.
Mein persönliches Fazit: Ich könnte sicher ohne Facebook leben und irgendwann wird es ohnehin was Neues geben. Aber da es mich beruflich interessiert und ich privat dasselbe Netzwerk nicht anders abbilden könnte, möchte ich derzeit nicht auf Facebook verzichten.
Und was die von Petra angesprochenen Datenskandale und schlechten Arbeitsbedingungen seitens Facebook angeht:
- Um daran etwas zu ändern, müsste eine signifikante Anzahl von Nutzern gehen, und das wird erst passieren, wenn es eine bessere Alternative gibt. Die wird sicher kommen, ist aber eben noch nicht da. Bis dahin kann man ja versuchen, von innen etwas zu bewegen. Als Nutzer wird man vermutlich eher gehört denn als Aussteiger.
- Inzwischen würde das Abwandern der ohnehin wenigen reflektierten Nutzer dazu führen, das Feld komplett den Hatern und Rechten zu überlassen, die dann ungestört auf die passive rein konsumierende Masse einwirken können. Wollen wir das?
- Sorgen wir doch besser dafür, vernünftige Inhalte wirksam zu verbreiten und dem ganzen Mist etwas entegegenzusetzen!

Schreibe einen Kommentar zu Annette Schwindt Antwort abbrechen