Vom Umgang mit Lob

Wenn mich früher jemand gelobt hat, war mir das immer verdächtig. Was wollte derjenige damit erreichen? Ich kann mich zwar an Lob von Lehrern erinnern oder an Lob von meiner Oma, bei der ich den größten Teil meiner Kindheit verbracht habe. Aber ich kann mich auch erinnern, dass mich das damals schon verunsicherte, weil mich das aus den anderen heraushob, denen gegenüber ich mich ja ohnehin schon wie ein Alien fühlte…

Also haben sich die Momente stärker bei mir eingebrannt, in denen ich negative Reaktionen auf etwas bekam, das ich nicht tun oder verstehen konnte, oder wenn mich jemand anschrie oder niedergemacht hat. Einige davon haben regelrechte Traumata hinterlassen. Erst viel später habe ich verstanden, dass mein Anderssein die Menschen erschreckt und hilflos gemacht hat, worauf sie mit Agression reagiert haben.

Ich hangelte mich indessen die meiste Zeit von einem Strohhalm zum anderen, in dem verzweifelten Versuch, Orientierung in der Welt um mich herum zu finden, die mich bis heute in weiten Teilen ratlos zurücklässt. Dies tat ich, indem ich mich abmühte, das von mir als sozial richtig beobachtete Verhalten anderer zu imitieren und dabei möglichst alle Erwartungen zu erfüllen, die an mich gestellt wurden. Wieso, weshalb, warum, blieb lange Zeit undurchsichtig für mich.

Verwirrendes Verhalten

Besonders verwirrend waren deshalb die Reaktionen für mich, bei denen mein Gelingen als selbstverständlich vorausgesetzt wurde, während ich doch völlig verloren war. So ist mir das lachende „Sie schaffen das schon, Frau Schwindt“ meines Professors lebhaft in Erinnerung geblieben, den ich mit Fragen zu meiner Magisterarbeit aufsuchen wollte, der aber so gut wie nie dafür ansprechbar war, sondern immer nur diesen Satz sagte. Warum, das konnte ich nicht begreifen. Mich machte das so wütend! Heute weiß ich, dass ich für ihn bereits vor Abgabe der Arbeit aus der Masse seiner Studenten herausstach und es für ihn völlig klar war, dass ich ihn gar nicht brauchte. Meine Desorientiertheit und Verzweiflung hat er vermutlich als unnötiges Lampenfieber interpretiert und fand das putzig.

Dasselbe Problem hatte ich mit den Trostversuchen eines Freundes, dass ich die anderen ja ohnehin in die Tasche stecken würde. Dabei war ich doch im permanenten Zustand der Überforderung und ruderte um mein Leben, um den Kopf in all der Unüberschaubarkeit irgendwie über Wasser zu halten. Doch das konnte ich offenslichtlich dank erfolgreichem Maskieren nach außen überspielen. Heute weiß ich, wie sehr mir das gerade gesundheitlich geschadet hat. Ich wünschte, jemand hätte mir damals sagen können, was mit mir los ist und hätte das Verhalten der anderen so für mich übesetzt, dass ich es hätte verstehen können.

Es hat bis in meine Vierziger gedauert herauszufinden, dass ich eben anders verdrahtet bin als andere, und von dieser theoretischen Erkenntnis bis zur ersten Umsetzung in die Praxis nochmal eine Weile. Bis heute habe ich beim Kennenlernen von neuen Personen Angst vor der Reaktion, wenn ich mich als Autistin oute. Aber immerhim kann ich jetzt klar formulieren, dass man bitte nicht durch die Blume, sondern ganz direkt mit mir sprechen soll, weil ich sonst nicht folgen kann.

Feedback sammeln

Ich habe mir angewöhnt, dezidiert Feedback zu sammeln, um damit über mich zu lernen. Doch wenn ich Wertschätzung bekomme, haut mich das jedes Mal auf Neue um. Es ist schwer für mich, Lob einfach anzunehmen. Da neige ich immer noch dazu, schnell das Thema zu wechseln. Ich weiß nicht, wie man damit umgeht, ohne für arrogant gehalten zu werden. Was ist eine sozial adäquate Reaktion und was nicht? Zum Glück habe ich jetzt meinen Mann, der für mich dolmetschen kann, wenn ich wieder zu schwimmen anfange.

Als ich kürzlich nach einem Projekt ein begeistertes Statement über die Zusammenarbeit mit mir bekam und dies via Social Media unter großer Rührung teilte, meldeten sich auch andere Weggefährten zu Wort, die diesen Eindruck schon aus früheren Zeiten bestätigten. Das half mir, einige der früher verwirrenden, ja sogar einige der als negativ abgespeicherten Situationen besser zu verstehen. Andererseits fragte ich mich, warum sie mir das nicht damals gesagt haben, als ich es so dringend gebraucht hätte. Machte ich den Eindruck, das nicht zu brauchen? Oder habe ich es nur nicht mitbekommen, weil es nicht für mich kompatibel fomuliert wurde?

So komme ich dazu, was ich eigentlich mit diesem Beitrag sagen will: Wenn Ihr Wertschätzung für jemanden habt, dann sagt es ihnen. Sagt es ihnen so, dass sie es verstehen. Stellt sicher, dass es ankommt. Selbst wenn es nur um Kleinigkeiten geht. Und sagt es gleich, nicht erst später. Ihr wisst nicht, wie es in anderen aussieht. Welche Kämpfe sie gerade ausfechten. Da kann schon ein kleines von Herzen kommendes Lob einen großen Unterschied machen. Und alles, was Ihr in die Welt schickt, kommt irgendwann zu Euch zurück. Vielleicht hilft es Euch dann auch durch eine schwierige Zeit. Spread love!

Titelfoto: congerdesign, Pixabay


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2 Antworten auf „Vom Umgang mit Lob“

Liebe Annette, oha, da kommt mir einiges bekannt vor! Wobei mein Unbehagen bei Lob vermutlich auch damit zusammenhängt, dass unsere Mutter uns (zumindest meiner Erinnerung nach) kaum je gelobt hat, nach dem Motto: Nicht gemeckert ist gelobt genug. So etwas verinnerlicht ein Kind als Normalzustand, und so weckte später Lob ganz schnell den von dir eingangs geschilderten Verdacht, dass da jemand eine verborgene Absicht verfolgte. Dass ich durch das Lob gewissermaßen in der Schuld dieser Person stand, und das passte nicht zum Ideal der Autonomie, das mir ebenfalls 8in überzogener Ausprägung) mit auf den Weg gegeben wurde … als wären wir Menschen nicht zutiefst soziale Wesen und insofern immer aufeinander angewiesen, meist im guten Sinn. – Es wird heutzutage viel zu wenig kommentiert in Blogs; drum bitte nicht wundern, wenn ich gleich bei einigen der anregenden Bloggespräche weitermache. 🙂

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