Zum Thema Fediverse – Ein Bloggespräch mit Sascha Foerster

„Fedi-was?“, werden jetzt die einen fragen, während sich die anderen hoffentlich schon auf meinen folgenden Austausch in Sachen dezentrales Web mit Sascha Foerster freuen. Ich freue mich jedenfalls, mit jemandem über das Fediverse reden zu können, der es schon deutlich länger benutzt als die Twitter-Flüchtlinge, die jetzt nach Mastodon umgesiedelt haben.

Annette Schwindt

Lieber Sascha, herzlich willkommen bei diesem Bloggespräch und Danke, dass Du Dir die Zeit dafür nimmst! Ich kann mich daran erinnern, dass Du schon lange dafür geworben hast, bei Bonn.social mitzumachen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich nicht begriffen hatte, worum es dabei geht. Ich dachte, es wäre einfach eine .social-Domain, auf der Ihr ein Forum oder sowas installiert habt. Dass es sich um eine Instanz im Fediverse handelt und was das überhaupt ist, habe ich erst bei meinem eigenen Umzug weg von Twitter zu Bonn.social verstanden. Wie bist Du wann dazu gekommen, diese Instanz zu gründen und warum?

Wie es zur Bonner Instanz kam

Sascha Foerster

Hätte ich damals geahnt, dass es so historisch wird, hätte ich wohl besser Tagebuch führen müssen. Mal schauen, wie gut ich es rekonstruiert bekomme. Das Interesse ein soziales Netzwerk selbst zu hosten begann im Grunde mit WordPress in der OpenSource-Variante, etwa 2007 muss das gewesen sein. Ich richtete mir ein(en) Weblog ein, auf der eigenen Infrastruktur, mit voller Verantwortung, aber auch voller Kontrolle. Das fand ich klasse und ich verstand die Stärke von OpenSource-Tools. 

Bei der re:publica 2014 sprach Michael Seemann über “dezentrale soziale Netzwerke”, aber gab ihnen keine gute Chancen, was ich schade fand, denn die Abhängigkeiten von Twitter, Facebook und Co. fand ich damals schon sehr bedenklich. Ich schaute mich trotzdem immer um, welche Open-Source-Tools es im Social-Media-Bereich so gibt und lernte nach und nach auch immer besser Server zu administrieren. 

Inzwischen ist das ganze etwas eskaliert, wie man bei https://start.bonn.digital sehen kann. Ich entdeckte jedenfalls immer mehr Dienste, die nicht nur auf PHP und einer Datenbank wie WordPress, sondern auf verschiedensten Programmiersprachen basierten und leicht mit Docker zu starten waren. Aber die frühen dezentralen Social-Media-Alternativen überzeugten mich nicht wirklich. 

Irgendwann 2017 entdeckte ich dann Mastodon, was seit 2016 durch Eugen Rochko (Gargron) aus Jena entwickelt wurde, eventuell hab ich es auf der Awesome-OpenSource-Liste gefunden und meinen ToDos hinzugefügt, genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls, als auch Johannes Mastodon entdeckt hatte und mich im Firmen-Chat darauf hinwies, da gab es dann kein Halten mehr und wenige Stunden später war unter Bonn.social unser Bonn.digital-Mastodon-Server am Start. 

Aber warum hätte Dir ein Forum von uns nicht auch gefallen? 

Ist Moderation die Lösung?

Annette Schwindt

Hätte es bestimmt auch. Ich kann mich erinnern, dass Du mich mal drauf angesprochen hattest, aber mehr so nach dem Motto „Wir haben da noch dieses bonn.social und wissen nicht recht, was daraus werden soll“. Daraufhin bin ich zu https://bonn.social/about und konnte mir keinen rechten Reim drauf machen. Es blieb dann einer von diesen „Schau ich mir irgendwann nochmal genauer an“-Punkten, den ich immer wieder vergessen habe – bis das wegen Twitter akut wurde. Da hatte ich dann einen konkreten Anlass wieder vorbeizuschauen und mehr Anhaltspunkte, was das soll.

Ich habe ja meine Internetnutzung in Foren gestartet. Deswegen war es für mich auch immer selbstverständlich, Blogkommentare und Social-Media-Präsenzen konsequent zu moderieren. Darum bin ich von moderierten, dezentralen Instanzen echt begeistert. Könnte das die Lösung gegen all den Hate Speech werden?  

Was mich allerdings noch ein bisschen verunsichert, ist die eigene Netiquette. Ich brauche für sowas ja immer klare Dos und Don‘ts. Bisher hab ich mich wie bei Twitter verhalten, also eigene Inhalte gepostet, andere retrötet, Gespräche geführt. Dabei hab ich auch schon interessante neue Leute kennengelernt. Kürzlich hab ich auch rausgefunden, wie das mit der Sichtbarkeit der Beiträge funktioniert. Aber den Unterschied beim Faven hab ich z.B. noch nicht verstanden. Gibt es irgendwo einen möglichst direkt formulierten Mastodon- oder Fediverse-Knigge, den Du empfehlen kannst? Kann auch Englisch sein.

Und wie ging es nach der Gründung von bonn.social weiter?

Boosts statt Algorithmen

Sascha Foerster

Haha, drei Fragen auf einmal! Dann mal eine nach der anderen. 

Hate Speech: Hass wird es immer geben. Leider. Und das wird sich auch in jedem digitalen sozialen Netzwerk spiegeln, weil es am Ende Menschen sind, die miteinander kommunizieren. Das ist ja auch ein Zeichen von unserer Menschlichkeit, um es Mal positiv zu betrachten. Aber ich habe an Mastodon auch gelernt, dass es einen großen Unterschied macht, ob es Algorithmen gibt und ob ein soziales Netzwerk strukturell gute Moderationsmöglichkeiten bietet. Mein Eindruck ist, dass in Netzwerken mit Algorithmen, die auf Basis von Likes und Kommentaren arbeiten, Hass starke Interaktionen auslöst und damit eine höhere Sichtbarkeit bekommt, als es sollte. Bei Mastodon gibt es eine chronologische Timeline. Mehr Likes oder Kommentare ändern nicht die Reichweite. Es sind alleine die Boosts (oder Re-Tröts, wenn man so will), die einen Post mehr Leuten sichtbar machen. 

Auch das Geschäftsmodell ist im Fediverse anders: bei Bonn.social habe ich kein besonderes Interesse daran, dass die Leute sich aufregen und besonders lange die Plattform nutzen, um mehr Werbung zu sehen. Eher im Gegenteil: jede Moderationstätigkeit kostet mich Zeit und Geld, und darum möchte ich keinen Spam, keinen Hass und feuere das auch nicht an. Umgekehrt muss man aufpassen, dass Diskussion schon noch stattfinden können und man kein Overblocking betreibt. Aber selbst dann steht einem immer die Tür zur nächsten Instanz offen, die vielleicht andere Regeln hat. 

Individuelle Netiquette

2. Daraus folgt auch eigentlich, dass es nicht den einen Mastodon-Knigge gibt. Klar, es gibt so ein paar ungeschriebene und geschriebene Regelmäßigkeiten. So wird im Fediverse besonders darauf geachtet, dass die Alternativ-Texte bei Bildern auch genutzt werden, dass man ein “Content Warning” setzt, wenn man potentiell verstörende Inhalte postet (also quasi eine Zwei-Klick-Lösung) oder dass man zuerst sein Profil einrichten, einen ersten Post mit #Neuhier und dann anderen folgen soll (damit die wissen, wer sich da überhaupt hinter dem Profil verbirgt und damit man weiß, ob man zurückfolgen sollte). Aber jede Instanz kann ihre eigenen Regeln machen und durchsetzen. Und jeder kann auch seine eigene Instanz einrichten und seine eigenen Regeln dort haben, so wie bei WordPress. 

Insofern gibt es im Fediverse alles: einerseits sehr stark regulierte Instanzen, andererseits auch Hatespeech-Echo-Kammern. Aber ich sehe es eher als Vorteil, dass verschiedene Kulturen, verschiedene Regelsysteme und verschiedene Präferenzen sich in einem vernetzen, föderierten System zusammenführen lassen. Ich habe eher Sorge darum, dass sich verschiedene Gruppen immer weiter voneinander abspalten und gar nicht mehr miteinander reden. Wir haben auf Bonn.social darum auch erstmal mit sehr reduzierten Regeln gearbeitet, die ich mal so zusammenfassen würde: Benimm Dich. Du bist verantwortlich. Melde, wenn es Probleme gibt. Die Regeln werden bei Bedarf angepasst. Das war’s bis heute. Und das freut mich sehr, dass es bisher keine 5. Regel brauchte. 

Learning by doing

3. Nach der Gründung habe ich erstmal Lehrgeld gezahlt. Die ersten 50 Nutzer*innen waren auf der Plattform, da gab es ein Update von Mastodon. Aber ich war noch etwas unerfahren mit Docker, hatte kein Datenbank-Backup und habs einfach mal so probiert. Nach dem Neustart war Mastodon aktualisiert, aber die User und ihre Daten waren weg. Das ist mir seitdem natürlich nie wieder passiert. 

Danach passierte lange Zeit nichts bis wenig. Die Community wuchs langsam aber kontinuierlich weiter auf ca. 150 Nutzer*innen auf Bonn.social. Dabei hat mich begeistert, dass es einfach und langsam immer weiter gewachsen ist, organisch und kontinuirlich. Wir kennen das ja, das jeden zweiten Monat ein neues Netzwerk der neue heiße Sch*** ist. Egal ob Ello, Vero, Clubhouse oder Bluesky. Der Hype geht hoch, paar Monate später ist der Hype vorbei und dann sieht man sich wieder auf den anderen Kanälen. 

Das Fediverse ist da anders. Es gibt keine Marketing-Abteilung, die das Netzwerk hyped. Aber es hat quasi die Kraft des Wassers: steter Tropfen höhlt den Stein. Ich habe die kleine Community immer sehr genossen, tolle Dialoge geführt und hatte wieder die Kontrolle, sowohl was Inhalte als auch meine Timeline und meine Zeit angeht. Ich wurde nicht manipuliert, ich bekam keine Inhalte vorgeschlagen und ich musste auch keine Werbung ansehen. Und nach 15-30 Minuten, hatte ich alles gelesen, was auf Bonn.social und in meiner Timeline gepostet wurde. Mein Tag ging spätestens dann weiter, denn da endete die Timeline und es gab keine weiteren Vorschläge oder uninteressante “Das könnte dich interessieren”-Postings.

Und dann kam Elon Musk ins Spiel, der Twitter kaufte. Ich habe mich ja oft gefragt, wie dezentrale soziale Netzwerke wachsen könnten. An einen Milliardär, der Twitter kauft und damit Mastodon skalieren hilft, hätte ich nicht gedacht. 

Von Twitter zu Mastodon

Annette Schwindt

Wer hätte damit gerechnet, dass Twitter dem auch zustimmt? Ich hab bis zuletzt gehofft, dass sie ihn abblitzen lassen… 

Ich war allerdings schon länger nicht mehr richtig aktiv auf Twitter. Da das aber nach Myspace mein erstes soziales Netzwerk war, in dem ich richtig viele Kontakte geknüpft und tolle Aktionen erlebt hatte, bin ich aus Nostalgie geblieben. Blöderweise konnte man seine Moments ja auch nicht exportieren. 

Und eins musste man Twitter halt echt lassen: Wenn man sich schnell über etwas informieren wollte, oder Kundenservice brauchte, war das schon klasse. Neulich hab ich mich dabei ertappt, dass ich bei einem TV-Sendeausfall den Provider auf Twitter kontaktieren wollte – und nicht konnte, weil ich da ja nicht mehr bin. Natürlich gibt es auch andere Wege, aber nach fast 16 Jahren Zwitscherei, war das für mich zur Gewohnheit geworden, zuerst dort nachzusehen. 

Viele haben da ja erst mit Mastodon angefangen. Aber Du warst schon da. Wie hast Du den plötzlichen Hype erlebt?

Steigendes Interesse am Fediverse

Sascha Foerster

Da (2022) war erstmal Schluss mit organischem Wachstum. Da hieß es: ich brauche mehr Server, Ram, Speicherplatz. Und natürlich Geld. Darum habe ich 2022 auch mit einem Kraftakt https://abo.bonn.digital/join aufgebaut, einem Abo-Tool auf Basis von Beabee.io, das wir selbst hosten um regelmäßige Zuwendungen aus der Community zu erhalten. Und was soll ich sagen: ich bin begeistert, welche Unterstützung wir erfahren. Wir haben in den letzten 12 Monaten über 3000€ an Zuwendungen erhalten, teils regelmäßig, teils einmalig, teils auch von Unternehmen und Organisationen, die uns unterstützen. Hier gibt es die Übersicht: https://bonn.digital/unterstuetzen

Ebenso darf ich jetzt öfter mal Vorträge zum Thema Fediverse halten und Workshops  geben und Artikel schreiben. Und darf ich es sagen: Es macht mich sehr glücklich, weil ich an die Idee des Fediverse schon sehr lange glaube und wir nun endlich Wind unter die Flügel bekommen. Insofern freue ich mich auch über jeden Auftrag für uns als Agentur, wo das Fediverse eine Rolle spielt und dass es immer mehr werden. So, genug geschwärmt. 

Wusstest Du eigentlich, dass jeder WordPress-Blog inzwischen Teil des Fediverse werden kann? Einfach mit einem Plugin? Wenn du das weiterdenkst, was passiert da?

Eigene Instanz via WordPress

Annette Schwindt

Ja, Peter Müller hatte mich drauf hingewiesen. Ich hab es auch schon mal getestet und sogar einen Blogbeitag dazu angefangen. Schließlich hab ich es aber mangels (oder  zumindest wegen für mich nicht ersichtlicher) Anpassbarkeit wieder verworfen. Aber vielleicht kannst Du mit mir ja auch mal einen Workshop für detaillierte Fragen machen? 😉 

Für viele Blogger/WordPress-Nutzer ist das automatische Posten sicher himmlisch, weil sie dann ihre Beiträge teilen lassen können, ohne sich selbst drum kümmern zu müssen. Das wollen doch immer alle. Damit kann man dann ihren Blogs via Mastodon folgen und dort gleich Beiträge weitersagen/boosten und damit zu mehr Reichweite verhelfen. Und das Ganze rein organisch, ohne Werbesch…

Was ich cool finde: Mastodon-Antworten auf einen via Plugin getröteten Blogbeitrag erscheinen auch als Kommentar im Blog (ich hör die Datenschützer schon jaulen). Wenn ich aber im Blog auf den Kommentar antworte, bleibt das dort und geht nicht ins Fediverse. Um in Mastodon zu antworten, müsste ich mich also im Fediverse in das Gespräch einbringen und das kann ich dann nur mit meinem persönlichen Account, nicht mit dem des Blogs. Oder hab ich da was übersehen? 

Silos geraten ins Wanken

Sascha Foerster

Ja, soweit ich das Plugin verstehe, ist das aktuell so wie du es beschreibst. Aber auch das ist für mich das schöne an freier Software und dem Open-Source-Gedanken. Man könnte dem Entwickler anschreiben, diskutieren, wie man dieses oder jenes Feature sich vorstellt, ggfs. sogar Geld in die Hand nehmen oder eine Community crowdfunding lassen, damit sich das Plugin weiterentwickelt. In diesem Fall hat Auttomatic, die Firma hinter WordPress und WordPress.com den Entwickler des Plugins angestellt und das Plugin jetzt unter WordPress.com für alle zur Verfügung gestellt. 

Und das ist für mich auch ein toller Effekt des Fediverse: er bringt die monopolistischen Silos ins Wanken. Je mehr Leute das Fediverse nutzen, umso weniger kannst du sie bei Instagram, X oder LinkedIn einsperren. Seitdem ich merke, wie man zwischen sozialen Netzwerken hinweg interagieren kann, also von Mastodon zu Pixelfed, von Peertube zu WordPress, etc. macht es für mich keinen Sinn mehr, dass ich von Instagram aus nicht mit jemandem auf LinkedIn sprechen kann. Bei E-Mails geht das doch auch, egal, ob man bei Microsoft in der Cloud, bei Web.de/GMX oder auf dem eigenen Server ist: jeder kann mit jedem per E-Mail kommunizieren. Warum sollte Social Media da anders sein? 

Aber wo siehst du beim Einstieg ins Fediverse und jetzt nach dem Ankommen die größten Hürden oder auch Erleichterungen im Vergleich zu anderen sozialen Medien und welches Urteil hast du dir gebildet?

Von Social Müdia zur Aufbruchstimmung

Annette Schwindt

Dazu muss ich sagen, dass mich das alles in einer Zeit großer Social Müdia erwischt hat. Ich beschäftige mich inzwischen mehr mit der Begleitung von Einzelpersonen bei der Kommunikation ihrer Anliegen. Social Media kommen da nur als eine von verschiedenen Möglichkeiten vor, ihr Thema unter die Leute zu bringen. (Bei der wörtlichen Übersetzung krieg ich übrigens körperliche Schmerzen. Die Medien sind nicht sozial, sondern die Nutzer sind dort „social“. Das bedeutet auf deutsch soviel wie „man trifft dort andere Leute und tauscht sich mit ihnen aus, macht irgendwas zusammen“. Es hätte also eher als Miteinander-Medien übersetzt werden müssen. Aber das mit der Übersetzung und Verwendung von Internetbegriffen im Deutschen ist ja ohnehin so eine Sache…)

Was mich von Anfang an interessiert hat, ist das Verbinden der einzelnen Dienste untereinander, zuerst mit friendfeed, nachher mit ifttt und rebelmouse oder einfach via RSS im eigenen Newsroom. In einem Projekt konnte ich sogar Beiträge von mehreren Plattformen via Hashtag in Echtzeit über ein Feedwidget per iframe mit einem E-Book verbinden: Wenn dann jemand diesen Hashtag in einem Posting zum Beispiel auf Instagram oder Twitter genutzt hat, erschien dieser Beitrag auch auf einer eigenen dafür geschaffenen Seite im E-Book:

Das war bevor Social Media zu walled gardens wurden und der Mainstream online kam. Damals hatten wir noch die Utopie vom alles verbindenden, demokratisierend wirkenden Web. Doch das hat sich leider bald in Luft aufgelöst, als sich Unternehmen dort breitmachten. Am Anfang haben wir noch über fails wie das Chefticket der Deutschen Bahn gelacht, aber irgendwann passten sich die Plattformen den Bedürfnissen der Unternehmen an statt umgekehrt. 

Es gab und gibt zwar immer mal wieder Erziehungsversuche was den Umgang mit den einzelnen Diensten angeht, aber geholfen hat es wenig. Die Netzwerke wurden selbst zu Konzernen, die sich gegenseitig aufgekauft, plattgemacht oder kopiert haben. Was Musk mit Twitter veranstaltet, war nur die nächste Eskalationsstufe. Nur haben jetzt endlich mehr Leute den Knall gehört.

Viele heutige Nutzer kennen nur noch diese Art von durchkommerzialisiertem Internet. Sie halten Instagram für eine Blogplattform und diejenigen für early adopter, die „schon“ in der ersten Hälfte der 2010er Jahre dort aktiv waren. Überhaupt geht es ums Influenzen und ums schnell reich und berühmt werden. – Furchtbar!

Vom Fediverse wünsche ich mir die alte Aufbruchsstimmung aus den Anfängen des Social Web zurück. Gerade weil es bereits vieles von dem integriert zu haben scheint, was woanders nur mit Hilfe von zusätzlichen Apps und fortgeschrittenen technischen Kenntnissen möglich war. Aber was sich damit wie umsetzen lässt und ob sich sicherstellen lässt, dass nicht wieder dieselben Fehler begangen werden wie beim alten Social Web, das weiß ich nicht. Dazu kenne ich mich noch zu wenig damit aus. 

Was meinst Du? Erwartet uns jetzt wieder dieselbe Geschichte oder können wir das diesmal vermeiden und wenn ja wie?

Kommt hier auch die Kommerzialisierung

Sascha Foerster

Die Sorge vor der Kommerzialisierung ist berechtigt. Wenn man an das Internet selbst denkt (und dabei wird es immer schwieriger zu verstehen, was “das Internet” eigentlich mal war und ist), sieht man ja, dass die offene Struktur und die Dezentralität dort sehr gut und seit langem funktionieren, aber natürlich auch mit Einschränkungen. 

Ich denke zum Beispiel daran, dass die Top-Level-Domain .books in den Händen von Amazon liegt, dabei hätte ich viel lieber https://bonn.books statt https://bonn.rocks eingerichtet. Da hat Amazon aber leider die Hand drauf und rückt die Domains nicht raus. Aber selbst wenn Amazon eine Domain besitzt, besitzen sie nicht das Internet. Niemandem gehört es und trotzdem können alle, auch Unternehmen, es nutzen. 

Ich finde das Fediverse ist in der Hinsicht vergleichbar: jeder kann mitmachen, auch Unternehmen. Das Protokoll ist offen, es kann sich im Rahmen der W3C, einem Standardisierungs-Gremium, das auch das www standardisiert hat, weiterentwickeln. Und jeder kann mitmachen und daran teilhaben. Das ist für mich die “soft power” des Fediverse, die wie steter Tropfen auch irgendwann den Stein der Monopole in Sachen “Social Media” auflösen wird. Und vielleicht kommen wir so wieder etwas näher an das “Soziale” in Social Media ran. 

Ich fühle mich jedenfalls im Fediverse wohl und so lange das bleibt möchte ich vielen anderen dort Plattformen bieten, wo Menschen aus Bonn und Region oder mit Bezug hierhin sich vernetzen und austauschen, wie früher an den Stammtischen in den Kneipen, nur besser. 

Wo kann ich Dir im Fediverse denn schon folgen? 

Annette Schwindt

Bisher lediglich mir als Person auf Mastodon via bonn.social, aber ich überlege, ob ich mein Blog doch nochmal anschließen soll. Komme ich da eigentlich wieder an den bestehenden Account ran? Und wie läuft das mit dem Nutzen von z.B. pixelfed oder peertube? Wie ich sehe habt Ihr da auch Bonner Instanzen. Muss ich mich da neu registrieren, oder komme ich mit meinem bestehenden Account rein? 

Ich überblicke noch nicht so genau, was ich jetzt alles damit machen kann und was nicht… Peter Müller, mit dem ich zusammenarbeite, hat  eine Zusammenfassung mit zahlreichen Links gepostet, die ich mir nochmal zu Gemüte führen muss. Hast Du noch Linktipps für gut verständliche Einführungen und Übersichten? Vielleicht sogar aus dem Fediverse selbst?

Einfach mal ausprobieren

Sascha Foerster

Als Admin kann ich natürlich mal nachgucken, ob dein Account da ist und Dir einen Link zum Passwort zurücksetzen schicken. Das mach ich dann gleich mal! Aber klar, man muss sich schon merken, bei welcher Instanz man sich mal angemeldet hat, denn ansonsten gibt es eben kein zentrales Verzeichnis, wo man nachschauen könnte. Da bräuchte man so eine Art föderiertes Telefonbuch. 

Wenn man andere Dienste wie Pixelfed und Peertube nutzen möchte, dann kommt es darauf an, was man tun möchte: du kannst mit deinem bestehenden Mastodon-Account alle Pixelfed- und alle Peertube-Accounts abonnieren, kommentieren und teilen. Dafür musst du keinen neuen Account anlegen. Das ist nur dann notwendig, wenn du selbst bei Peertube einen Kanal anlegen möchtest, z.B. um größere Videos hochzuladen, oder wenn du die Pixelfed-App mit einem Pixelfed-Konto, z.B. von Bonn.pics nutzen möchtest, weil du die Fotos im Fokus haben möchtest und nicht die Texte. Das ist tatsächlich so eine kleine Denkhürde, die man überspringen muss, wenn man vorher nur Social-Media-Silos gewohnt ist. 

Am Ende muss es wohl heißen: einfach mal machen und ausprobieren. Vieles erklärt sich selbst. Und was sich nicht erklärt, das kann man sich jederzeit von der großen Community erklären lassen. Manchmal bekommt man auch mal was erklärt, wo man nicht nach gefragt hat. Und irgendwann spricht man dann miteinander, warum das Fediverse so eine tolle Sache ist und wie wir Social Media wieder zu Mitmach-Nezwerken machen.

Von hier aus sollte man natürlich bei bonn.social starten und sich einfach mal registrieren und ausprobieren. Mir fällt es schwer ansonsten weitere Linktipps geben, weil ich mich selbst seit 2017 einfach durchgeklickt habe. Aber das Team von Digitalcourage hat glaube ich einen sehr guten Einstiegspunkt geschaffen, der die ersten Schritte gehen hilft: https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung/fediverse

Annette Schwindt

„Social Media wieder zu Mitmach-Netzwerken machen“ unterschreibe ich sofort! Ganz gemäß meinem Motto

„Es geht um Menschen und Gespräche.
Digitale Kommunikation ist, was WIR daraus machen.“

Danke Dir für das Bloggespräch und die Tipps, lieber Sascha, und bis bald auf Mastodon!

Über meinen Gesprächspartner

Sascha Foerster mit duknlen Haaren und Bart, blaukariertes Hemd vor sonnenbeschienener heller Mauer lächelt in die Kamera

Sascha Foerster ist Experte für Social Media und digitale Kommunikation. Gemeinsam mit Johannes Mirus leitet er die Agentur Bonn.digital und betreibt die lokale Mastodon-Instanz Bonn.social.

Foto von Sascha: Sascha Foerster
Avatar von Annette: tutticonfetti

In meiner Rubrik „Bloggespräche“ unterhalte ich mich mit einem Gegenüber über ein frei gewähltes Thema wie in einem Mini-Briefwechsel. Wer auch mal so ein Gespräch mit mir führen möchte, findet alle nötigen Infos dazu unter https://www.annetteschwindt.de/bloggespraeche/ und kann sich von dort direkt bei mir melden.


Diesen Beitrag weitersagen:

2 Antworten auf „Zum Thema Fediverse – Ein Bloggespräch mit Sascha Foerster“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert