Nicht schon wieder! (62. Blognacht)

Meine erste Wohnung hatte ich in einem ehemaligen Hotel, das auch schon als Posthof und ganz früher als Kloster gedient hatte. Das bedeutet, dass das Gebäude in einem offenen Viereck um einen Innenhof gebaut war. Man konnte also von einem Teil des Gebäudes, dem Vorderhaus, über den Hof ins Hinterhaus schauen. Und, da alle große Fenster hatten, konnte man, je nach Vorhandensein von Gardinen oder Vorhängen, auch von einer Wohnung in die andere sehen.

Im Vorderhaus gab es zudem einen Hinterausgang, über den man in den Hof und damit zum Eingang des Hinterhauses gelangen konnte, ohne um das Gebäude herum gehen zu müssen.

Eines Abends hatte ich Besuch von einer auswärtigen Freundin, was offenbar zwei meiner Nachbarn aus dem Hinterhaus durch mein Fenster beobachtet hatten. Nacheinander kamen sie also über den Hof herüber, um sich zu uns zu gesellen. Eingeladen hatten wir keinen der beiden!

Das Dumme dabei war, dass die beiden Nachbarn einander nicht leiden konnten und verzweifelt versuchten, dem anderen meine Gunst abspenstig zu machen. Ich hatte indessen an keinem der beiden größeres Interesse.

Trotzdem schaffte es einer von ihnen durch ungefragte Inbeschlagnahme meiner Badewanne, den anderen (vorerst) zu vertreiben. Meine Freundin verabschiedete sich ebenfalls augenzwinkernd, hatte jedoch nicht mit dem steigenden Alkoholpegel des Badenden gerechnet, der ihn kurz danach – zwar in meinem Bett, aber ohne weitere action – einschlafen ließ.

Am nächsten Morgen stand der abends zuvor vertriebene Nachbar mit einer Tüte Croissants vor meiner Tür und wollte mit mir frühstücken, kaum dass er den anderen aus der Hintertür hatte kommen sehen. Der wiederum hatte von seinem Fenster aus den Frühstücksbewerber über den Hof ins Vorderhaus huschen sehen und rief sofort bei mir an: „Sag bloß, der ist jetzt bei dir?! Dem komm ich gleich rüber!“, was „der“ wiederum hörte und daraufhin wutschnaubend das Weite suchte.

Endlich allein (dachte ich jedenfalls) wollte ich mich gerade ans Aufräumen machen, als meine Freundin anrief, um zu hören, wie denn der Rest des Abends verlaufen sei. Doch bevor ich richtig zum Erzählen kam, stand der Badewannenmann mit einer Einkauftüte vor meiner Tür, drängelte sich an mir vorbei und verkündete, er würde jetzt für uns kochen.

Doch auch daraus wurde nichts, weil kurze Zeit später der Croissantmann mit Pizza bei mir anklopfte und dem anderen triumphierend mit einem fertigen Mittagessen zuvorkam, was diesen wiederum zum entrüsteten Abmarsch brachte.

Ich weiß nicht, wie oft das an dem Tag noch hin und her ging. Ich weiß nur, dass ich jedesmal dachte: „Oh nein, nicht schon wieder!“

Ein paar Monate später bin ich dann auch zu Thomas nach Bonn gezogen und habe nur noch über gemeinsame Freunde von den beiden gehört. Der einzige, den ich nochmal wiedergesehen habe, war der Croissantmann, denn der war Fotograf und wollte unbedingt bei meiner Hochzeit die Bilder machen.

Wie ich später erfuhr, hat er sich dabei bei meinem Vater beklagt, dass er doch sicher auch einen guten Schwiegersohn abgegeben hätte. Und das, wo seine damalige Freundin gerade meinen Brautstrauß gefangen hatte! Mal ganz abgesehen davon, dass ich nie an ihm interessiert gewesen war. Die nachfolgende Ehe zwischen den beiden hat dann auch trotz (oder am Ende wegen?) meines Braustraußes nicht gehalten.

Soweit mir bekannt ist, haben meine Exnachbarn auch nach meinem Wegzug nie mehr miteinander geredet und sich weiterhin gegenseitig das Leben schwer gemacht…

Titelbild: OpenAI

Die Blognacht ist eine regelmäßige Veranstaltung von Anna Koschinski, in der der sich Blogger treffen, um spontan etwas zu einem Impuls zu schreiben. Mehr dazu unter blognacht.de

Fediverse-Reaktionen

Von Annette Schwindt

Diese Website ist mein Room of Requirement. Hier bewahre ich alles auf, was von meinen früheren Websites bis 2016 zum Löschen zu schade war. Seitdem füge ich Neues zu allen möglichen Themen hinzu: Ich habe ein Faible für Sprache(n), für Geschichten und Gespräche. Ich liebe Kunst, Musik und alles Kreative und vor allem macht es mir Freude, Menschen miteinander zu verbinden. Viel Spaß beim Stöbern!

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