„Zukunft mit Neugier und Skepsis gestalten“ – Interview zu #meinweginsweb mit Tapio Liller

Mein heutiger Interviewpartner ist einer derjenigen, denen ich schon früh auf Twitter gefolgt bin. Zusammen mit Marie-Christine Schindler, die hier in der Reihe bereits zu Wort kam, hat er das Standardwerk „PR im Social Web“ geschrieben. Außerdem ist er Halbfinne und wer mich kennt, weiß, dass ich ein Faible für das Land habe… Irgendwann müssen wir uns da mal drüber unterhalten, Tapio! 😉 Aber nun erst mal zum Interview in Sachen #meinweginsweb:

Bitte stelle Dich kurz vor (Name, Ort, Tätigkeit, Website, Facebook, Twitter, Google+, drei Hashtags)

Ich bin Tapio Liller aus Frankfurt am Main, Gründer und Co-Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Oseon. Unser Fokus liegt auf interdisziplinärer Kommunikation für Innovationen. Das heißt, wir helfen Unternehmen mit neuen und neuartigen Produkten und Dienstleistungen, diese möglichst so zu erklären, dass sie von den richtigen Menschen verstanden, akzeptiert und möglichst auch gekauft oder gebucht werden. Das tun wir über Themen, die wir mit analogen wie digitalen Mitteln so aufbereiten, dass sie an den passenden Stellen im Netz wie in der Kohlenstoffwelt interessant und hilfreich sind.

Mich findet man auf fast allen Plattformen unter dem Usernamen @tapioliller. Am besten erreichbar bin ich per Twitter.

Seit wann bist Du online unterwegs, wann hast Du angefangen zu bloggen und wann bist Du dem ersten sozialen Netzwerk beigetreten? Wie bist Du dazu gekommen?

Online bin ich seit 1995, als ich im Studium an der Uni Essen einen Modem-Wählzugang zum Hochschulrechenzentrum bekam und mit dem Unix-Programm „Pine“ über einen Terminalzugang meine E-Mails abrufen konnte. Manchmal dauerte allein das Einwählen ins Netz eine halbe Stunde, weil alle Zugangsnummern belegt waren. Meine erste Website muss etwa 1996 dazugekommen sein, ein Jahr später habe ich die erste Corporate Website für die Klinik gestaltet und programmiert, in der mein Vater arbeitete.

Mit dem Bloggen begann ich etwa 2006, so genau weiß ich das nicht mehr. Richtig Schwung kam in die Sache ab 2007 mit opensourcepr.de, das allerdings seit knapp drei Jahren nur noch ein Artikelarchiv ist. Heute findet man mit unter liller.de oder im Oseon-Blog.

Wenn man Twitter als Social Network bezeichnen möchte, ist das wohl mein erstes. Seit Ende 2007 bin ich so richtig dabei. Einen Account habe ich vermutlich ein halbes Jahr vorher angelegt, aber nicht kapiert wofür man das braucht. Das geht anderen heute noch so. Ich habe also Verständnis dafür.

Gab es Menschen, die Dich persönlich oder durch Ihre Veröffentlichungen bei Deinem Einstieg ins Social Web begleitet haben?

Ganz vorn auf der Liste stehen Wolfgang @luebue Lünenbürger-Reidenbach, Cem @CemB Basman und Tina @PickiHH Pickhardt, die jede auf ihre eigene Art Twitter zu einem tollen Ort für Gedankenaustausch, Spaß und Nonsense gemacht haben. Vielen meiner Frühfollowings folge ich noch heute.

An Blogs las ich oft auch internationales etwa von Steve Rubel, Jeff Jarvis oder Brian Solis. Das hat aus Zeitmangel leider sehr nachgelassen.

Wie hat sich Dein Weg in Sachen digitale Kommunikation dann bis heute weiterentwickelt (nenne die wichtigsten Meilensteine)?

Für mich ist das Netz sehr schnell zur zweiten Natur geworden. Spätestens seit der Smartphone-Ära ist es immer dabei. Ich probiere gern neue Plattformen und Tools aus, habe in letzter Zeit bei Tsu und Ello reingeschnuppert. Aber ich gehe heute auch sehr viel selektiver mit neuen Tools um. Alles, was sich nicht schnell erschließt oder viel Spaß macht, lasse ich wieder bleiben. Mit TapTalk kann man übrigens wunderbar sinnfreien Spaß haben. Auch das muss sein.

Ein wichtiger Meilenstein war Anfang 2010 als mich Marie-Christine per Mail anfragte, ob ich vielleicht Lust hätte, mit ihr ein Buch über PR im Social Web zu schreiben. Wir kannten uns bis zur re:publica in dem Jahr nur digital von unseren Blogs und Twitter. Dass daraus per Handschlag nach 30 Minuten persönlichem Kennenlernen ein Buchprojekt wurde, das sich bis heute gut verkauft, ist für mich immer noch ein kleines Wunder.

Ohne das Netz und die von etwa 2006 an rasende Vernetzung mit vielen Leuten on- und offline, hätte ich 2008 auch nicht den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und Oseon gegründet. Dieses Netzwerk trägt bis heute und wächst weiter. Das finde ich nach wie vor faszinierend.

Gibt es Fehler, die Du auf Deinem Weg gemacht hast und wie können andere diese vermeiden?

Ich habe früher bisweilen vielleicht eine Spur zu emotional in Blogkommentaren diskutiert. Das war im Nachhinein unnötig stressig. Mit der Erfahrung wird man gelassener und lernt, fünfe gerade sein zu lassen und nicht immer das letzte Wort haben zu wollen.

Einmal bloggte ich wohl etwas zu überspitzt über irgendeine C-Prominente im Zusammenhang mit einer Tierschützerkampagne zur Fußball-EM. Da kam dann ein Anruf des Managers dieser Frau, der mir doch sehr unmissverständlich mit dem Anwalt drohte. Das war nicht schön, aber zum Glück mit etwas Anonymisierung des Artikels wieder aus der Welt geschafft.

Welche Wege empfiehlst Du Einsteigern oder denen, die sich in Sachen digitale Kommunikation fortbilden wollen?

Ausprobieren, fragen, sacken lasen, nochmal ausprobieren und immer auf das Bauchgefühl hören. Wenn man das Gefühl hat, mit einer Plattform oder einer bestimmten Art zu kommunizieren nicht klarzukommen, zum Beispiel weil es mehr Stress als Spaß ist, sollte man es lassen.

Wer digitale Kommunikation beruflich betreibt, sollte viel ausprobieren, um sich eine qualifizierte Meinung bilden zu können. Das heißt nicht, dass man alles dauernd benutzen muss. Mein Google+ Account ist seit langem tot.

Welches ist Dein bevorzugtes soziales Netzwerk und warum?

Twitter für den schnellen Überblick und News. Und Instagram als kleines quadratisches Fenster in fremde Welten.

Welche aktuellen Entwicklungen in der digitalen Kommunikation findest Du besonders spannend?

Ich finde bemerkenswert, wie schnell der physische Ort an Bedeutung verliert. Vor anderthalb Jahren checkte noch jeder irgendwo ein, heute ist das irrelevant. Die Location ist nur noch eine Metainformation für Apps, die dann passende Inhalte zuspielen. Reicht auch.

Gibt es noch etwas, das Du den Lesern zum Thema Social Web oder digitale Kommunikation allgemein mitgeben möchtest?

Inzwischen sollte eigentlich allen Berufskommunikatoren klar sein, dass das Digitale kein Allheilmittel ist. Nur weil andere etwas tun, muss man es ihnen noch lange nicht gleich tun. Es geht in moderner Kommunikation immer um die Verzahnung von zielgenauen Kanälen mit den passenden Themen und kreativen Inhalten – digital UND analog.

Und zum guten Schluss sollte niemand Angst vor der Zukunft haben, sondern sie mit Neugier einerseits und gesunder Skepsis andererseits mit gestalten. Wer vor Angst gelähmt ist, kommt unter die Räder der Digitalisierung.

Suurkiitos, Tapio! 🙂

In der kommenden Woche ist Kristine Honig an der Reihe, diese Fragen zu beantworten.
Alle Interviews können nachgelesen werden unter
http://www.annetteschwindt.de/tag/meinweginsweb/


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Eine Antwort auf „„Zukunft mit Neugier und Skepsis gestalten“ – Interview zu #meinweginsweb mit Tapio Liller“

Das Wort zum Sonntag: Ausprobieren! So ist es! Die vielen Empfehlungen und Testberichte zu verschiedenen sozialen Plattformen nützen einem absolut nichts, wenn es den persönlichen Vorstellungen und der individuellen Art zu kommunizieren nicht entspricht. Dafür muss man sich einfach Zeit nehmen. Eine gute und intensive Recherche zu Beginn erleichtert einem das Leben ungemein und schützt vor unerwünschten Konsequenzen.

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