Karla Paul: „Du bist und bleibst ein Mensch, analog UND digital.“

Unsere heutige Interviewparterin lebt ganz selbstverständlich mit den digitalen Möglichkeiten. Sie beschäftigt sich auch beruflich damit, anderen digital das Leben zu verschönern, sieht deswegen aber längst nicht alles rosa, sondern ruft auf zum aktiven Mitgestalten:

Bitte stelle Dich kurz vor (Name, Ort, Website/Blog, wichtigste drei Social-Media-Profile):

Mein Name ist Karla Paul, ich bin ein Hamburger Deichkind und blogge auf Buchkolumne.de. Ich bin Verlegerin der Digitalverlage „Edel eBooks“ sowie „edel & electric“ der Edel AG.
Meine drei wichtigsten Social Media Profile nutze ich mehrmals täglich:

Was motiviert Dich dazu, an der Interviewreihe teilzunehmen?

Für mich gibt es keinen Unterschied mehr zwischen digitalem und analogem Leben und je offener ich beide Bereiche ineinander fließen lasse, desto mehr Möglichkeiten und Erleichterungen werden mir geboten. Vielleicht kann man mit persönlichen Lebenseindrücken mehr Vertrauen für das Digitale gewinnen und zeigen, dass es für jeden ein persönliches Digitales Leben gibt und wie viele Vorteile es bringen kann. Ich habe die Chance dies mitzugestalten, meine Ideen, beruflichen und privaten Kontakte dementsprechend auszubauen und die Vorteile für mich zu nutzen sowie gegen Negatives abzusichern. Wenn ich über meinen Weg berichte, gehen ihn vielleicht mehr und mehr mit mir zusammen.

Wie digital ist Dein Leben derzeit und wie hat es sich dahin entwickelt?

Das Digitale begleitet mich 24h am Tag und arbeitet noch weiter, wenn ich schlafe. Der erste Griff am Morgen gilt dem iPhone, ich checke auf dem Weg zum Wasserkocher meine Emails, alle sozialen Kanäle, reagiere auf erste Anfragen und wünsche meinen Freunden einen guten Start in den Tag. Ob beruflich oder privat, ich bin ständig online und erreichbar und betrachte dies nicht als Pflicht, sondern als Selbstverständnis wie Essen oder Atmen, es ist für mich auch mit keinerlei Stress verbunden. Ich leite zwei Digitalverlage und auch hier ist natürlich wichtig, dass ich mich mit meinen Autoren und externen Dienstleistern beständig austausche, mich täglich über die wichtigsten Neuerungen der Branche informiere, unsere Webseite checke und Wege finde, wie ich unsere eBooks digital bewerbe und vertreibe – viele Inhalte bzw. neue Titel finde ich sogar direkt übers Netz.

Ich bin seit knapp 15 Jahren online, das ist eigentlich relativ kurz und mit über 30 Jahren bin ich auch schon nicht mehr den Digital Natives zugehörig. Trotzdem erschien mir die Internetnutzung schon immer als sehr natürlich und auch die ersten Apps bzw. das Smartphone habe ich ohne größere Widerstände in meinen Alltag integriert. Seit 2006 habe ich meine eigene Webseite, seit 2009 ein iPhone und bin seitdem eigentlich ohne längere Unterbrechung online. Das hat weniger mit einem Suchtverhalten, als mit einer sinnvollen Integration in den Alltag zu tun. Ich bin ein Literaturjunkie seit mehr als zwei Jahrzehnten, ich nehme sehr viele Informationen zu Büchern auf und versuche sie zu filtern und möglichst gut aufbereitet an andere Leser weiterzugeben, dafür sind die sozialen Kanäle das perfekte Medium. Während ich als Kind eher als Büchernerd ausgegrenzt war, fand ich online Millionen Leser, die sich gern und unabhängig von Zeit und Ort mit mir austauschen – dies ist für mich ein großer Schatz, den ich seitdem hüte, fördere und mit möglichst vielen Begeisterten teile.

Was findest Du besonders interessant und spannend an der Digitalisierung?

Die Digitalisierung löst viele unserer Probleme und im Idealfall auch die, von denen wir noch gar nichts wussten. Ich kann mich mit allen Familienmitgliedern, Freunden, Geschäftspartnern jederzeit austauschen, Bilder und sämtliche Informationen in Echtzeit verschicken und muss damit nicht erst bis zum nächsten persönlichen Meeting warten.

Zudem hat sich mein Freundeskreis vertausendfacht und auch wenn es sich dabei vielleicht manchmal eher um flüchtige Bekanntschaften rund um ein bestimmtes Thema handelt, so sind daraus über wiederholte Kontakte schon sehr tiefe und innige Verbindungen entstanden. Ich kann Livelesungen vom heimischen Sofa aus verfolgen und bei via Twitter Literaturkritik anstoßen, Autoren suchen auf Facebook nach Namen für ihre Charaktere, es gibt irgendwo auf der Welt immer eine Leserunde für das Buch, das ich gerade lese – so vieles begeistert mich daran, dass es eine derart enge Verknüpfung zwischen Literatur und Digitalisierung gibt. Wer schon einmal mitten in der Nacht dringend den nächsten Teil einer Serie lesen wollte und sich innerhalb von Sekunden das E-Book herunterladen konnte, der kann mich wahrscheinlich verstehen. Aber das ist nur der Anfang und auch das nur für meinen, den literarischen Bereich.

Organisationen können weltweit Werbung für Ihre Kampagnen und Bedürfnisse machen und Spenden sowie aktive Hilfe sammeln, Apps helfen beim besseren Umgang mit Krankheiten und alarmieren rechtzeitig vor Erdbeben, ich kann zu jedem Thema jederzeit Informationen und Gleichgesinnte finden uvm.

Es geht nicht nur um Spiel, Spaß und Spannung, sondern auch um tatsächliche Hilfe im Alltag und lebensrettende Maßnahmen, die rein digital die analoge Welt täglich besser machen.

Was findest Du bedenklich am Umgang mit der Digitalisierung?

Grundsätzlich sollte man sein Tun immer hinterfragen. In der analogen Welt ist dies für uns selbstverständlich: mach den Herd aus, schließ die Tür ab, zieh Dir warme Sachen an, brüll nicht auf offener Straße Deine Kreditkarten-PIN rum, schrei und schlag den Mitmenschen nicht ins Gesicht. Das ist für uns logisch und klar, bis ins Digitale hat sich das leider nicht immer herumgesprochen. Je mehr aber beide Welten miteinander verschwimmen, und für immer mehr Menschen ist diese Verzahnung ebenso selbstverständlich wie für mich, desto mehr sollte man nicht nur die positiven Möglichkeiten im Auge behalten. Du bist und bleibst ein Mensch, analog UND digital. Also verhalte Dich in beiden Bereichen so, dass wir zusammen gut durch den Tag kommen, sei höflich, verantwortungsvoll und Dir darüber bewusst, auf wessen Party (d.h. Webseite/Netzwerk) Du Dich gerade befindest – denn dort gilt das jeweilige Hausrecht.

Zudem finde ich es natürlich grundsätzlich bedenklich, dass es Menschen gibt, deren Rechtsverständnis nicht mit dem meinen übereinkommt und deswegen achtet bitte auf Eure Passwörter, speichert alles extra ab, gebt nicht zu leichtfertig Daten, Bilder, Videos etc. raus und fragt zur Not einfach mal jemanden, der sich damit auskennt. Aber: all diese Regeln gelten bereits seit Jahrhunderten und wer sie selbstverständlich im In- und Ausland und persönlichen Leben anwendet, dem wird es im Internet ebenfalls nicht schwerfallen.

Was glaubst Du, wie sich die Digitalisierung weiter entwickeln wird?

Ich habe keine Ahnung – wüsste ich es, hätte ich mein Multimillionendollarstartup bereits an Google verkauft. Mit ein bisschen Glück und vielen Ideen kann ich die kommende Zeit digital mitgestalten, Wege finden, wie wir die Buchbranche besser vernetzen und Online als auch Offline damit mehr Begeisterung für Literatur wecken. Aktuell fühlt sich alles nach einem guten Weg an, ich nutze sehr viele der gebotenen Möglichkeiten und sie erleichtern mein Leben täglich. Das kann in zehn Jahren ganz anders aussehen und an manchen Tagen habe ich aufgrund der mehr und mehr schwindenden Netzneutralität ziemliche Kopfschmerzen. Bitte werdet oder bleibt im Netz ebenso politisch, diese Zukunft ist die, die wir daraus machen, d.h. selbst mitgestalten – informiert Euch auf Netzpolitik.org, werdet aktiv und bleibt wach für Veränderungen.

Können diejenigen mit dem Thema Digitalisierung versöhnt werden, die sich von ihr bedroht fühlen?

Angst ist meist einer unserer größten Gegner, allerdings in tatsächlichen Gefahrensituationen auch lebensrettend – hier gilt es also wie meist den richtigen Mittelweg zu finden. Ich fühle mich auch oft überrannt und bedroht von Situationen und Neuigkeiten, dies sollte man durchaus ernst nehmen und das Gefühl hinterfragen. Im Idealfall hilft immer Kommunikation – ich zeige meist sehr positive Beispiele für die Digitalisierung auf und versuche die Angst in ihre Bestandteile zu zerlegen. Wie lauten die Argumente dagegen und wo kann man sich in der Mitte treffen? Nicht jeder muss immer alle Möglichkeiten nutzen, manch ein Account kann auch erst einmal passiv verwendet werden und bei Sicherheitsfragen gibt es offizielle Stellen, die manchmal glaubwürdiger wirken, als der „Digital Native von nebenan“. Oft hilft schon eine anfängliche Integration in den Alltag und die schleichende Steigerung – wenn z.B. der Großvater via WhatsApp täglich Statusupdates und Bilder der Enkel erhält, sind die Bedenken schnell vergessen. Wer allerdings bereits im analogen Leben vor Angst kaum vor die Tür geht und hinter jeder Nachricht eine Verschwörung wittert, der wird es Online auch nicht leichter haben. Auch im Internet rationales Denken und empathisches Mitgefühl als Grundvoraussetzung herzlich Willkommen.

Wie kann man die Menschen dazu bringen, sich mit dem Thema Digitalisierung aktiv auseinander zu setzen?

Gebt Ihnen die passende Hardware mit der Lösung für ihre Probleme und sie werden sich sehr schnell und begeistert damit beschäftigen. Viele E-Reader sind nicht etwa bei den digital Natives so beliebt, sondern bei den älteren Lesern, die darauf problemlos den Hintergrund aufhellen und die Schrift vergrößern können. Der Mensch ist keine Insel und wenn man verdeutlicht, wie schnell und einfach kommuniziert werden kann, dann ist die digitale Information bald ein tägliches Selbstverständnis. Es gibt Apps für gesundheitliche, psychische, physische Probleme, Netzwerke für jedes persönliche Interesse und das Internet spart Zeit als auch Geld, all das fernab von jeglichem Funfactor. Oft muss man nur zeigen, dass Online so viel mehr bedeutet als YouTube-Hauls oder Katzenvideos und dass die Digitalisierung eine ernsthafte, große Verbesserung des persönlichen Lebens bedeuten kann.

Gibt es noch etwas, das Du schon immer zum Thema Digitalisierung sagen wolltest?

Mein Freund Johannes Korten (#einBuchfuerKai) schrieb neulich recht passend (und fasst damit eigentlich all meine Ängste, Wünsche und Hoffnungen in einem Satz zusammen):

„Das Netz ist ein guter Ort, wenn wir es dazu machen.“

Herzlichen Dank fürs Mitmachen, liebe Karla! 🙂

Foto © Anette Göttlicher


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