Wie schon Lisa und Edeline habe ich Katja im Bloghexen-Forum kennengelernt und mit ihr beschlossen, ein Bloggespräch zum Thema „Upcycling als Statement gegen Fast-Fashion“ zu führen. Ich bin schon sehr gespannt darauf, also fangen wir gleich an:
Hallo Katja, vielen Dank, dass Du Dich für meine Rubrik der Bloggespräche interessierst. Zum Thema faire Kleidung hatte ich ja schon ein Gespräch mit Susanne Ackstaller, damals ging es allerdings um große Größen und die damit verbundenen Probleme. Die Stichworte Upcycling und Fast Fashion kamen damals aber nicht zur Sprache, wenn ich mich recht erinnere. Warum hast Du dieses Thema vorgeschlagen und wie bist Du überhaupt dazu gekommen?
Kreativität und Nachhaltigkeit
Hallo Annette, ich danke dir und freue mich, bei diesem schönen Format dabei zu sein. Ja, das Thema Mode ist sehr vielseitig. Wir alle haben einen Bezug zu Kleidung, da wir ja nicht einfach nur nackt durch die Gegend laufen dürfen. 🙂 Das Thema habe ich vorgeschlagen, weil Upcycling nicht nur eine nachhaltige Alternative zu Fast Fashion ist, sondern auch eine kreative Ausdrucksform. Es macht Spaß, lässt viel Raum für eigene Ideen und zeigt, dass der Weg genauso wichtig ist wie das Ergebnis.
Nachhaltigkeit spielt für mich eine große Rolle. Nicht nur im Alltag, sondern auch in meiner Kleidung. Das Selbernähen meiner Outfits hat mir den entscheidenden Denkanstoß gegeben, über die Umstände in der Fast-Fashion-Industrie nachzudenken. Ein optisch ansprechendes und gut sitzendes Kleidungsstück entsteht nicht einfach nebenbei. Dahinter steckt ein Prozess, der Zeit und Sorgfalt erfordert. Angefangen bei der Planung über die Suche nach passenden Stoffen bis hin zur Fertigstellung an der Nähmaschine.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf stellte ich mir die Frage: Wie kann es sein, dass Kleidung oft zu Spottpreisen verkauft wird? Also begann ich, mich intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen und war entsetzt, als mir die ganze Tragweite bewusst wurde. Hast du dich auch schon mit diesem Thema beschäftigt? Gab es eine Erkenntnis, die dich besonders nachdenklich gemacht hat?
Wohlfühlen hat Vorrang
Da ich, seit ich denken kann, außerhalb von Standardgrößen bin, war es schon immer schwierig, etwas Passendes für mich zu finden. Abgesehen von zu weit oder zu eng ist Kleidung bei mir in der Regel immer zu kurz, die Unterbrustnaht viel zu weit oben etc. Schon allein deswegen bin ich nicht gerade ein Fan von Mode.
Dann kann ich nur mit Farben, Mustern und Stoffen, die mir keine Reizüberflutung verursachen. Ob da was gerade in ist, oder nicht, ist mir schnurz. Ich verstehe nicht, warum ich mir als ausgewachsener Mensch jedes Jahr eine komplett neue Garderobe kaufen soll. Wenn ich endlich etwas gefunden habe, das halbwegs passt und sensorisch angenehm ist, dann trage ich das, bis es auseinanderfällt.
Als ich dann noch mitbekommen habe, unter welchen Umständen Kleidung oft hergestellt und wie viel davon weggeworfen wird, hatte ich gar keine Lust mehr, mir neue Sachen zu kaufen. Das mache ich seitdem nur noch dann, wenn etwas nötig ist. Nähen kann ich leider nicht und Shopping ist mir völlig zuwider. Also wird bei bewährten Händlern online bestellt und fertig.
Du hast sicher noch mehr Argumente für mich, das mit dem saisonalen Shoppen bleiben zu lassen, oder?
Umweltverschmutzer Modeindustrie
Definitiv ja! Du hast ja schon ein paar sehr gute Punkte aufgeführt, wie das Thema saisonales Shopping. Darauf setzt die Fast Fashion Industrie, denn sie geht mit den Trends. Auch ein Grund, weshalb sie unsere Modewelt dominiert. Die Schattenseiten werden jedoch oft übersehen.
Dass die Modeindustrie zu den größten Umweltverschmutzern weltweit zählt, ist vielen nicht bewusst. Die Trends sind kurzlebig, was zu schnellen Produktionszyklen führt. Die Produktion hat einen enormen Verbrauch von Wasser, Energie und Rohstoffen. Besonders problematisch ist, dass viele Textilproduktionen in Ländern mit Wasserknappheit angesiedelt sind. Durch das Färben und Veredeln der Textilien werden die wertvollen Ressourcen dort zusätzlich belastet. Was im Klartext heißt, dass das verschmutzte Wasser der Fabriken zu einer Vergiftung der Flüsse, Meere und des Grundwassers führt.
Wie nimmst du die Wahrnehmung dieses Problems in der Gesellschaft wahr? Meinst du, es wird genug thematisiert?
Kleidung aus zweiter Hand
Ich denke, das ist wie bei allen Umweltthemen: Wer es sich leisten kann und ein soziales/ökologisches Gewissen hat, der verhält sich entsprechend. Aber selbst da wird es schwierig, siehe mein Bloggespräch über faire Mode in Übergrößen. Oder für meinen Mann, der als Rollstuhlfahrer anders geschnittene Kleidung braucht. Die meisten fairen Label, die ich bisher gesehen habe, richten sich eher an junge, aufrecht gehende, schlanke Menschen.
Eine alleinerziehende Mutter wird vermutlich weder das Geld für faire Mode, noch die Zeit zum Selbernähen haben, zumal Kinder schnell aus Sachen herauswachsen. Da helfen dann höchstens Tauschbörsen. In meiner Kindheit war es auch ganz normal, die Sachen von älteren Geschwistern oder Cousins/Cousinen aufzutragen.
Also ja, ich denke, dass viele Bescheid wissen, aber sich mit Alternativen aus verschiedenen Gründen schwertun. Aber ich habe den Eindruck, dass sich da was tut. Man sieht jetzt z.B. immer öfter Werbung für Gebrauchtbörsen im Fernsehen und Do-it-yourself-Sendungen. Aber auch daraus muss offenbar erst wieder ein “cooler” Trend generiert werden, damit die Leute es auch umsetzen.
Dabei gibt es ja nicht nur ökologische, sondern wie gesagt auch soziale Gründe. Wer mal gesehen hat, unter welchen Bedingungen manche Kleidung produziert wird, der kann das doch nicht mehr guten Gewissens unterstützen. Aber dazu hast Du bestimmt mehr Infos, oder?
Faire Mode oft zu teuer
Ja, habe ich. Denn wie du schon schreibst, leidet nicht nur die Umwelt unter Fast Fashion, auch die Menschen, die unsere Kleidung herstellen, sind oft extrem schlechten Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Ein tragisches Beispiel ist der Brand in der Tazreen-Kleiderfabrik in Bangladesch im November 2012, bei dem 117 Menschen ums Leben kamen und über 200 verletzt wurden.
Ein weiteres verheerendes Ereignis war der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik im April 2013, ebenfalls in Bangladesch. Dabei verloren über 1.100 Menschen ihr Leben, mehr als 2.400 wurden verletzt.
Diese Katastrophen haben weltweit für Schlagzeilen gesorgt und doch bestehen die grundlegenden Probleme der Branche bis heute fort. Woran das liegt, hast du ja bereits gut aufgezeigt.
Wenn diese Schattenseiten also bekannt sind, faire Mode aber für viele schlichtweg nicht erschwinglich ist, stellt sich die Frage: Wie kann gebrauchte Kleidung zu einem coolen Trend werden?
Denn Fakt ist: Fast Fashion verleitet durch ständig wechselnde Kollektionen dazu, immer wieder Neues zu kaufen und lässt die eigene Garderobe schnell langweilig erscheinen. Genau hier setzt Upcycling an: Es geht darum, aus bereits Vorhandenem das Beste zu machen.
Wie ist das bei dir, Annette, greifst du manchmal zu Secondhand-Kleidung? Oder hast du sogar schon mal etwas für dich selbst umgestaltet?
Upcycling auch als Service?
Nein, denn wie gesagt habe ich zum einen sehr ungewöhnliche Maße und zum anderen kann ich nicht mehr als Knöpfe annähen. Außerdem hasse ich shoppen und kaufe daher nur online ein. Dabei beschränke ich mich auf das, was ich brauche und was gute Qualität hat. Trends sind mir eigentlich schon immer schnurz. Ich lasse mir nicht diktieren, was ich anziehen soll.
In meiner Teenagezeit war Nähen mal eine Weile in. Damals hat meine Mutter mir ein paar Sachen selbst genäht. Die fand ich so naja, was aber an den Neonfarben und den simplen Schnitten lag. Die selbstgenähten Karnevalskostüme hingegen waren cool!
Wenn es Upcycling als individuellen Service auch für Übergrößen gäbe, den ich auf digitalem Weg in Anspruch nehmen könnte, hätte ich auch kein Problem mit Second Hand. Nur ist mir bisher nichts Derartiges bekannt. Kennst Du sowas?
Aus Gebrauchtem Neues machen
Nein, so einen Service kenne ich leider auch nicht. Vielleicht fühlt sich ja jemand dazu berufen, der das hier liest. Ich könnte mir so ein Angebot auch gut in einem Repaircafé vorstellen.
Bevor ich in das Thema Upcycling einsteige, möchte ich erst einmal darauf eingehen, was Upcycling eigentlich ist. Beim Upcycling handelt es sich um eine Form der Wiederverwertung, bei der durch Handarbeit und Kreativität aus scheinbar nutzlosen oder alten Materialien etwas Neues und Wertvolleres entsteht. Hier stehen neben dem Thema Nachhaltigkeit auch das Selbermachen und der kreative Prozess im Vordergrund.
Denn zum Upcycling braucht es nicht zwingend Nähkenntnisse. Natürlich bietet es sich an, aus einem alten Pulli eine Mütze zu nähen, oder gar aus einem ausgedienten Zelt eine Regenjacke zu machen. Aber um das Thema Upcycling für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu machen, ist es wichtig zu zeigen, dass es noch viele andere, ganz einfache Möglichkeiten gibt, ein Kleidungsstück aufzuwerten.
Die kreative Textilgestaltung bietet eine ganze Bandbreite an Techniken, um ein altes Kleidungsstück an die eigenen Vorlieben anzupassen oder beispielsweise ein kleines Loch zu kaschieren. Es gibt unterschiedliche Methoden, wie zum Beispiel Batik, um Textilien einzufärben. Durch Siebdruck können tolle All-Over-Prints entstehen und auch Bügelbilder oder gestickte Motive können ein optisches Highlight setzen. Um hier nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wenn du ein Upcycling-Projekt ganz ohne Nähmaschine starten würdest, was müsste es mitbringen, damit du Lust hättest, es auszuprobieren?
Ein neuer Trend?
Ich wüsste schon gar nicht, wo ich das machen sollte. Das braucht alles Platz. Ich bin durchaus künstlerisch veranlagt und mit verschiedenen Techniken vertraut, aber auch meine Malerei musste ich aufgeben, weil ich keinen Platz mehr dafür hatte. Und dafür extra woanders hingehen, womöglich noch wo fremde Menschen sind, ist für mich zu viel Stress. Ich meide das ja ohnehin wegen der Reizüberflutung.
Kleine Reparaturen nähe ich mit der Hand, früher hab ich auch gestrickt. Wenn ein Lieblingsstück repariert oder geändert werden muss, dann geht es schon mal mit zur Schneiderei, wenn mein Mann seine Hosenbeine auf die richtige Länge bringen lassen muss. Als Rollstuhlfahrer bekommt er seine speziell aufs Sitzen geschnittenen Hosen ohne abgenähte Beine, damit er sie für sich passend machen kann. Das geht dann zum Beispiel auch nicht second hand.
Wir sind da also nicht repräsentativ, kaufen aber wie gesagt eh nur fair und wenn es wirklich nötig ist. Mode ist an uns komplett verschenkt. Vielleicht hab ich auch deswegen keinen Bezug zum selbst Upcyclen. Ich sehe den Sinn durchaus, aber ich könnte mir für mich eher vorstellen, aus gebrauchter Kleidung Kunst zu machen.
Für Menschen mit Standardmaßen und Interesse für Mode ist das Upcyclen von Kleidung aber bestimmt interessant. Gibt es denn viele, die das machen, oder entsteht da gerade ein neuer Trend? Wie könnte man das denn noch mehr unter die Leute bringen?
Künstlerischer Ausdruck
Aha! Das Thema Kunst ist ein sehr gutes Stichwort. Bevor ich fortfahre, möchte ich noch was loswerden: Ich finde es wirklich schade, dass du deine Malerei aufgeben musstest. Denn auch Upcycling ist eine Form von Kunst. Und genau wie beim Malen ist das Wiederherstellen von alter Kleidung eine kreative Ausdrucksform. Hier steht der Prozess im Mittelpunkt, der Weg ist das Ziel.
Du kannst das sicher gut nachvollziehen: Freilich ist es schön, am Ende ein gelungenes Gemälde oder ein schönes Kleidungsstück vor sich zu haben. Aber es geht auch ums Ausprobieren und den kreativen Flow. Währenddessen bist du ganz bei dir und deinem Projekt. Du bist achtsam, entschleunigst und vielleicht sogar in einem meditativen Zustand. Es gibt dir einfach ein gutes Gefühl, etwas mit deinen Händen zu erschaffen. Und wenn du dann auf dein Werk blickst, kannst du mit Stolz sagen: “Das habe ich gemacht.” Genau dieser Aspekt ist es, der für mich beim Upcycling besonders zählt.
Auch die Kreativ Community ist in diesem Bereich sehr aktiv und gut vernetzt. Es gibt zahlreiche Upcycling Challenges und Veranstaltungen, sowohl vor Ort als auch online auf Blogs und Social Media. Ich versuche, meinen Beitrag dazu zu leisten, indem ich auf meinem Blog kostenlose Schritt-für-Schritt-Anleitungen für einfache Projekte bereitstelle. Gleichzeitig ist es mir wichtig, Menschen zu ermutigen: Es muss nicht alles perfekt sein. Gerade das nimmt vielen die Hemmschwelle, einfach mal loszulegen.
Auf deine Frage, ob Upcycling ein Trend ist, kann ich nur sagen: Ja, ganz eindeutig! Aber es ist kein kurzlebiger Hype, sondern eine stetig wachsende Bewegung. Schon Anfang der 2010er Jahre erfreute sich Upcycling großer Beliebtheit in der DIY Community. Rund zehn Jahre später griffen auch bekannte Modemarken das Thema auf und machten es damit einem noch größeren Publikum zugänglich. Seitdem ist Upcycling nicht mehr wegzudenken und erfreut sich anhaltender Beliebtheit. Gerade jetzt, wo Nachhaltigkeit in aller Munde ist, erlebt es einen weiteren Aufschwung.
Na, Annette, hab ich dich mit meinen letzten Argumenten ein klitzekleines bisschen neugierig gemacht?
Einfach anfangen
Ja, das hast Du. Welches einfache Upcycling-Projekt könntest Du denn Einsteigern wie mir empfehlen? Das wäre doch ein schöner Abschluss für dieses Gespräch. Jedenfalls danke ich Dir schon mal für diesen Austausch und hoffe, dass es den ein oder anderen dazu anregt, das mit dem Upcycling auch mal selbst zu versuchen. Hiermit überlasse ich Dir das Schlusswort:
Vielen Dank, ich schließe gern mit einer unkomplizierten Upcycling-Idee ab:
Stell dir vor, du hast ein Shirt, dessen Schnitt dir gefällt, aber die Farbe ist so gar nicht dein Fall. Dann ist Konfetti Tie Dye eine einfache Technik, um es in ein Lieblingsteil zu verwandeln. Alles was du brauchst, ist etwas Färbefarbe in Form von Farbkristallen. Die bekommst du in unterschiedlichen Nuancen und auch in kleinen Beuteln. Was sehr praktisch ist, denn für den Konfetti Tie Dye brauchst du nur eine kleine Menge.
Feuchte dein Shirt an und lege es in eine Schüssel. Dann kann der Spaß auch schon losgehen: Streue die Farbkristalle mit einer lockeren Handbewegung auf das Shirt. Wenn du mit der Farbmenge zufrieden bist, besprühst du die Farbkristalle punktuell mit Wasser, am besten mit einem Pumpspender. Du kannst dabei auch mehrere Farben nacheinander verwenden, je nachdem, wie bunt dein Shirt werden soll. Und das war’s auch schon. Anschließend fixierst du die Farbe, zum Beispiel mit Essig und Salz, wäschst das Shirt aus und lässt es trocknen. Voilà, schon hältst du ein selbstgemachtes Unikat in den Händen.
Danke dir für das spannende Gespräch, und falls du plötzlich den Drang verspürst, einem alten T-Shirt ein neues Leben zu schenken, weißt du ja, wo du mich finden kannst. 🙂
Über meine Gesprächspartnerin
Katja ist Bloggerin, Designerin und eine Textilkünstlerin mit einer großen Leidenschaft fürs Selbermachen. Auf ihrem Blog teilt sie ihr Wissen, gibt Tipps und zeigt, dass kreative Textilgestaltung, Nähen und DIY nicht nur Spaß machen, sondern auch entschleunigen und nachhaltig wirken können. Ganz nach ihrem Motto: mach es selbst ☻ mach es besser.
In meiner Rubrik „Bloggespräche“ unterhalte ich mich mit einem Gegenüber über ein frei gewähltes Thema wie in einem Mini-Briefwechsel. Wer auch mal so ein Gespräch mit mir führen möchte, findet alle nötigen Infos dazu unter https://www.annetteschwindt.de/bloggespraeche/ und kann sich von dort direkt bei mir melden.
2 Antworten auf „Upcycling gegen Fast Fashion – Ein Bloggespräch mit Katja Neuner“
Ein richtig tolles und wichtiges Interview!
Lustig, dass das Format immer wieder als Interview bezeichnet wird. Es ist ein Austausch, ein bisschen wie ein digitaler Briefwechsel.