„Ausprobieren und lesen“ – Interview zu #meinweginsweb mit Thomas Pleil

Eines der ersten Blogs, die ich bereits bei meinem Einstieg ins Social Web regelmäßig gelesen habe, war Das Textdepot von Prof. Dr. Thomas Pleil. Deswegen freut es mich sehr, dass auch er die Fragen meiner neuen Interviewreihe #meinweginsweb beantwortet hat. Herzlichen Dank, Thomas! 🙂

Bitte stelle Dich kurz vor (Name, Ort, Tätigkeit, Website, Facebook, Twitter, Google+, drei Hashtags)

Ich bin Thomas Pleil, Professor für Public Relations an der Hochschule Darmstadt. Dort bin ich Sprecher des Direktoriums des Instituts für Kommunikation und Medien (ikum) und leite ein Kompetenzzentrum für Social Media und E-Learning (eBusiness-Lotse Darmstadt-Dieburg); bezogen auf die Lehre habe ich soeben den Studiengang Onlinekommunikation aufgebaut.

Seit wann bist Du online unterwegs, wann hast Du angefangen zu bloggen und wann bist Du dem ersten sozialen Netzwerk beigetreten? Wie bist Du dazu gekommen?

Ganz genau weiß ich nicht mehr, wie lange ich online unterwegs bin. Es gab aber zwei große Aha-Effekte: Das erste Mal als freier Mitarbeiter einer Tageszeitung, als es möglich war, mit Akkustikkoppler Artikel ins Redaktionssystem zu übertragen; das zweite Mal, als ich dank Internet für meine Dissertation an amerikanische Literatur herangekommen bin. Ich denke, das erste Erlebnis war in den Achtziger, das andere in den Neunziger Jahren.

Mit einer Art Blog habe ich begonnen, als ich die Kommunikation der Uni Eichstätt verantwortet habe. Es war etwa 2001, als der Freistaat Bayern allen Unis sehr viel Geld streichen wollte und es dazu einige Proteste gegeben hat. Eine Zeit lang habe ich jeden Morgen Zeitungsartikel, politische Statements oder Berichte zu Demos gesammelt und auf der Website der Uni veröffentlicht und kommentiert. Im Nachhinein erst wurde mir klar, dass das womöglich eine Frühform eines Corporate Blogs war – mit dem Segen der damaligen Unileitung.

Bei sozialen Netzwerken war ich anfangs nicht so intensiv dabei. MySpace war mir zwar immer eine Wundertüte, ich habe mich dort aber kaum getummelt. Ich glaube, es war 2005, als ich der Social Network-Sache mehr abgewonnen habe, und zwar als ein US-Kollege ein soziales Netzwerk für PR-Studenten und -Dozenten aufbaute, die sich für Social Media interessieren.

Gab es Menschen, die Dich persönlich oder durch Ihre Veröffentlichungen bei Deinem Einstieg ins Social Web begleitet haben?

Zunächst waren es einzelne Kolleginnen und Kollegen aus Großbritannien und vor allem den USA, die ich durch Onlinekonferenzen zu Web 2.0 und PR kennengelernt habe und dann auch auf Veranstaltungen getroffen habe. Damals haben wir auch recht viel in bzw. mit Hilfe von Blogs diskutiert. Und dann natürlich sehr früh Klaus Eck, ebenso Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach sowie unter den akademischen Kollegen Ansgar Zerfaß.

Wie hat sich Dein Weg in Sachen digitale Kommunikation dann bis heute weiterentwickelt (nenne die wichtigsten Meilensteine)?

Mit bloggendem Selbstverständnis war ich ab 2004 unterwegs, zunächst auf Einladung von Klaus Eck als Autor des PR-Blogger, ab 2005 habe ich dann gemeinsam mit meinen Studenten in den „PR-Fundsachen“ gebloggt, später dann erst mein eigenes Blog Textdepot gestartet. Stück für Stück sind die üblichen anderen Plattformen dazu gekommen, beispielsweise Twitter, Facebook, Pinterest, Instagram – immer mit der Fragestellung, was man aus PR-Sicht damit machen kann, egal, ob es um Unternehmen, Nonprofit-Kampagnen oder öffentliche Einrichtungen geht – abgesehen von Wikis, mit denen ich seit etwa 2004 im Rahmen von Projektmanagement, Lehrbegleitung etc. arbeite.

Wichtige Meilensteine und ein Luxus, der sich aus meinem Beruf ergibt, waren Veranstaltungen, die ich zum Teil mit Studenten als Lehrprojekte oder im Rahmen von Forschungsaktivitäten organisieren konnte. So hatten wir schon ab 2005 die Möglichkeit, sehr interessante Leute am Mediencampus der Hochschule Darmstadt zu versammeln und zu hören, welche Erfahrungen sie mit der Onlinekommunikation in ihrem Umfeld machen. Anfangs waren das eher Konferenzen (z.B. die Reihe „Zukunft Online-PR“), in den letzten Jahren konnten wir Gastgeber einiger Barcamps sein, zuletzt des Content Strategy Camp.

Gibt es Fehler, die Du auf Deinem Weg gemacht hast und wie können andere diese vermeiden?

In der Anfangszeit des Bloggens habe ich zum Teil recht deutlich Dinge benannt, die von Unternehmen oder Organisationen aus in der Onlinekommunikation in meiner Wahrnehmung schief gelaufen sind. Im Nachhinein habe ich bei manchen Artikeln mit gehadert, inwiefern sie zu sehr einzelne Agenturen, Unternehmen oder Verantwortliche bloßgestellt haben.

Vermeiden kann man viele Fehler, wenn man sich bewusst macht, dass nicht nur – aber besonders sichtbar – im Social Web immer einzelne Menschen hinter der Kommunikation stecken. Und wenn ich überlege, was ich wie einem Gesprächspartner sagen würde, dem ich auf einem Podium gegenüber sitze, ist das auch für meine Onlinekommunikation eine ganz gute Richtschnur, denke ich.

Welche Wege empfiehlst Du Einsteigern oder denen, die sich in Sachen digitale Kommunikation fortbilden wollen?

Ausprobieren und lesen. Einerseits kann man sich Kompetenz in digitaler Kommunikation nicht (allein) theoretisch aneignen, vieles muss man einfach selbst erfahren und ausprobieren – nicht nur die Funktionalität von Plattformen, sondern vor allem soziale Prozesse, damit zusammenhängende Erwartungen etc. Andererseits gibt es mittlerweile schon viele, die diese Erfahrungen gemacht und sehr gut beschrieben haben. Insofern gibt es für Einsteiger sehr gute Lektüre. Und natürlich ist es sinnvoll, die laufende Diskussion zu verfolgen, also einigen Leuten zu folgen – damit meine ich vor allem ihre Blogs und Twitter.

Welches ist Dein bevorzugtes soziales Netzwerk und warum?

Da kann ich mich schwer entscheiden. Beruflich Twitter, weil ich von dort sehr viele Lesetipps bekomme, das Ganze aber sehr flexibel ist und auch mal Diskussionen oder Liveberichte erlaubt. Privat Instagram. Weil ich dadurch wieder Spaß am Fotografieren bekommen habe und weil ich die Mischung aus einem persönlichen Netzwerk und dem Entdecken ganz neuer Profile anregend finde.

Welche aktuellen Entwicklungen in der digitalen Kommunikation findest Du besonders spannend?

Noch immer erhöht sich die Zahl der möglichen Kommunikationskanäle, manche brechen weg, viele werden kritisiert und doch genutzt. Da viele Onlinenutzer kein Interesse bzw. keine Kapazität für ein Immer-Mehr haben, finde ich besonders interessant, mehr darüber zu lernen, unter welchen Bedingungen wir bereit sind, uns nicht nur in Fensterreden von einem Kanal zu verabschieden, sondern wirklich zu wechseln.

Gibt es noch etwas, das Du den Lesern zum Thema Social Web oder digitale Kommunikation allgemein mitgeben möchtest?

Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr mir das Social Web geholfen hat, neue Sichtweisen kennen zu lernen, von den Erfahrungen anderer zu profitieren und wie viele spätere Projektpartner, gute Bekannte und Freunde ich zuerst digital schätzen und kennen gelernt habe.

 

Kommende Woche wird Peter Müller mein Interviewpartner sein.
Alle Interviews dieser Reihe können nachgelesen werden unter
http://www.annetteschwindt.de/tag/meinweginsweb/.


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5 Antworten auf „„Ausprobieren und lesen“ – Interview zu #meinweginsweb mit Thomas Pleil“

Liebe Frau Schwindt,

eine sehr schöne Interview-Reihe, die Sie da ins Leben gerufen haben. Es ist spannend zu erfahren, wie die „Größen“ des Social Web einmal begonnen haben und welche Erfahrungen sie auf ihrem Weg gemacht haben.
Was ich sowohl bei Thomas Pleil als auch Klaus Eck feststellen musste: trotz ihrer Bekanntheit kommt man sehr schnell mit ihnen ins Gespräch. Sie leben den Social-Gedanken. Ja, und das Content Strategy Camp in Dieburg war erste Sahne, inhaltlich als auch organisatorisch!

Großes Lob, Frau Schwindt! Ihre Interview-Reihe finde ich erfrischend anders. Es ist interessant zu lesen, wie bekannte Blogger zum Schreiben gekommen sind und wie jeder einmal klein angefangen hat. Für mich persönlich sind solche Texte viel inspirierender als ein typischer „5 Dinge, die du wissen solltest“-Artikel. 🙂

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