„Do it, Baby!“ – Interview mit Sabria David zu #meinweginsweb

Wenn etwas meinen Weg ins Web entscheidend mitgeprägt hat, dann war es das Slow Media Manifest! Dass ich mit einem der drei Verfasser, nämlich mit Sabria David, später sogar mal befreundet sein würde und wir uns gegenseitig inspirieren würden, hätte ich damals nicht geglaubt. Jetzt hat sie meine Fragen zu ihrem eigenen Weg in die digitale Welt beantwortet:

Bitte stelle Dich kurz vor (Name, Ort, Tätigkeit, Website, Facebook, Twitter, Google+, drei Hashtags)

Ich bin Sabria David, Mitgründerin des Slow Media Instituts, Bonn. Wir beraten und forschen zu den Auswirkungen des digitalen Wandels. Ich bin Medientheoretikerin und Medienpraktikerin, von Hause aus Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, geübte Kommunikationsexpertin, Erfinderin des Digitalen Arbeitsschutz und Mitautorin des Slow Media Manifests und der Declaration of Liquid Culture.

Seit wann bist Du online unterwegs, wann hast Du angefangen zu bloggen und wann bist Du dem ersten sozialen Netzwerk beigetreten? Wie bist Du dazu gekommen?

Meine Medienbiographie sieht so aus: Seminar- und Examensarbeiten habe ich noch auf einer elektrischen Schreibmaschine geschrieben (Gabriele von Triumph Adler mit Karbonband, erinnert euch an das schlackende Geräusch beim Schreiben). Erste Begegnung mit dem Internet hatte ich in den 90ern noch in Agenturzeiten, wo im ersten Stock eine einzige Kollegin einen Zugang hatte und wir alle staunend drumherumstanden. Eine eigene Website hatte ich schon sehr früh, besonders spannend fand ich das aber noch nicht, auch Second Life nicht.

Interessant wurde es aber für mich dann Mitte der 2000er mit einem großen Kundenprojekt, bei dem von „Open Source Philosophie“ und „Community Gedanke“ die Rede war. Da habe ich aufgehorcht und dachte, Holla, was ist das, was machen die da und warum? Wie funktioniert das? Mir ist dann ziemlich bald die Parallele der Entstehung von kollaborativen Open Source Werken zu der Entstehung von Volksmärchen aufgefallen, und da wusste ich: Ja, das funktioniert, und das ist sehr spannend. Das war der Anfang meiner Theorie und meiner Forschung zum digitalen Wandel, zu offenen und geschlossenen Werken und zu der Re-Oralisierung der Schriftkultur. Eigener Blog und Twitter folgten dann 2008.

Gab es Menschen, die Dich persönlich oder durch Ihre Veröffentlichungen bei Deinem Einstieg ins Social Web begleitet haben?

Es gab Menschen, die mich in persönlichen Begegnungen und im Gespräch, in der Auseinandersetzung mit den Erscheinungen rund um Web 2.0 und Kollaboration technikphilosophisch neugierig gemacht haben – und solche, die mich auch praktisch in die Nutzung von Blogs und sozialen Netzwerken begleitet haben. Eine Schrift, die mich über lange Zeit sehr inspiriert hat, ist das legendäre Cluetrain Manifest. Grade sind ja die „New Clues“ erschienen, da schließt sich für mich auch ein Kreis.

Wie hat sich Dein Weg in Sachen digitale Kommunikation dann bis heute weiterentwickelt (nenne die wichtigsten Meilensteine)?

Das Bloggen war für mich eine große Befreiung. Endlich in Ruhe die eigenen Gedanken ausführen und weiterdenken, ohne dass einem irgendein Gatekeeper reinquatscht. Gleichzeitig kommt man mit anderen ins Gespräch und kann seine eigenen Thesen an der Wirklichkeit überprüfen und weiterentwickeln. 2010 habe ich mit Benedikt Köhler und Jörg Blumtritt dann das Slow Media Manifest geschrieben. Es ist selbst kollaborativ auf einem Etherpad entstanden und das Ergebnis vieler Gespräche und Auseinandersetzungen auf Twitter, in Blogs, Kommentaren und im echten Gegenüber. Es ist inzwischen in 8 Sprachen übersetzt und wirklich um die Welt gegangen. Wir haben Backlinks aus über 30 Ländern, Bezugnahmen aus den verschiedensten Disziplinen. Eine überraschende Resonanz, die bis heute andauert. In Australien, Frankreich, Finnland werden Doktor- und Examensarbeiten über uns geschrieben. Prof. Jennifer Rauch aus New York nennt Slow Media ein „global subcultural movement“. Das ist schon spooky, auch, weil ja jeder „slow“ als „die mögen keine digitalen Medien“ missverstehen kann.

Mit dem Digitalen Arbeitsschutz mache ich unsere Slow Media Theorie für die Arbeitwelt anwendbar. Ich finde, eine Theorie ist nur dann gut, wenn sie auch praktikabel und zum Nutzen der Menschen anwendbar ist – und das ist sie.

Weitere Meilensteine sind die Declaration of Liquid Culture, die wir 2012 geschrieben haben, und vor kurzem meine Wahl ins Präsidium von Wikimedia Deutschland.

Gibt es Fehler, die Du auf Deinem Weg gemacht hast und wie können andere diese vermeiden?

Ich unterschätze immer wieder, wie weit die Kluft zwischen On- und Offlinern doch noch ist. Um einen Offliner in die Welt der digitalen Kultur (kollektive Autorschaft, Sharing Culture, Diskursiviät, permanent beta) zu begleiten, muss man ganz, ganz niedrigschwellig und kleinschrittig sein. Dabei erfindet ja das Digitale die Welt nicht neu, es gibt im Gegenteil sehr viele Faktoren, die einem kulturhistorisch und gesellschaftlich durchaus vertraut sind.

Welche Wege empfiehlst Du Einsteigern oder denen, die sich in Sachen digitale Kommunikation fortbilden wollen?

Ich empfehle Gespräche mit begeisterten aber nicht betriebsblinden Onlinern. Inspiration ist ein wichtiger Faktor – und die Bereitschaft, sich anstecken zu lassen.

Welches ist Dein bevorzugtes soziales Netzwerk und warum?

Ich liebe Twitter, meinen digitalen Salon. Ich habe dort tolle Gespräche geführt und wichtige Menschen getroffen. Twitter ist ein großer Schatz und es ist das Medium, auf das ich am wenigsten verzichten möchte.

Welche aktuellen Entwicklungen in der digitalen Kommunikation findest Du besonders spannend?

Eine wichtige Frage finde ich, wie uns die Transformation zu einer postdigitalen Gesellschaft gelingt – wo also Digitales selbstverständlich geworden ist und die Potentiale des Digitalen auf eine konstruktive und gesunde Weise integriert sind. Dazu gehört auch, dass wir als Nutzer uns die Hoheit über die Technik wieder zurückerobern. Das Internet zwingt uns, erwachsen zu werden, und das sind wir längst noch nicht.

Ein andere wichtige Frage ist eine gesellschaftspolitische: Wie gelingt es uns als Gesellschaft, die gemeinwohlorientierte digitale Kultur jenseits privatwirtschaftlicher Interessen zu stärken? Identität, Bindung, Souveränität, Bezug- und Kontaktaufnahme sind wichtig für die Resilienz (also Widerstandsfähigkeit und Fähigkeit mit Veränderungen umgehen zu können) einer Gesellschaft und auch von Unternehmen. Die digitale Kultur kann da sehr viel Wertvolles beitragen.

Gibt es noch etwas, das Du den Lesern zum Thema Social Web oder digitale Kommunikation allgemein mitgeben möchtest?

Do it, Baby!

Herzlichen Dank fürs Mitmachen, liebe Sabria,
und auf much „more intensity“! 😉

Foto: Anja Krieger

In der kommenden Woche beantwortet Björn Eichstädt meine Fragen.
Alle Interviews dieser Reihe können nachgelesen werden unter
http://www.annetteschwindt.de/tag/meinweginsweb/


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