Kommunikation für Anfänger

(Als ich wegen meiner Herzprobleme vor einigen Jahren viel liegen musste, nahm ich die Welt draußen nur akustisch durch das gekippte Fenster wahr. So muss dieser Text entstanden sein, den ich kürzlich im Backup meiner alten Website wiedergefunden habe.)

Früh übt sich, wer später erfolgreich kommunizieren will. Früh übt daher offenbar auch eine Frau mit ihrem kleinen Sohn in einem der Nachbarhöfe die Kunst des Sich-korrekt-Ausdrückens und treibt damit nicht nur ihren Sprößling zur Verzweiflung…

Heißer Sommernachmittag, alles still. Auftritt der Mutter und ihres Sohnes im Hof nebenan:

Kind (freut sich): Mamaaaaaaa Ball!
Mutter (pädagogisch ruhig): Ja, ich habe Deinen Ball mit herunter gebracht. Nun kannst Du mit ihm spielen.
Kind (immer noch freudig): Mamaaaaaaa Ball!
Mutter (ignoriert die Aufforderung zum Mitspielen): Ja, Du hast einen Ball. Nun spiel.

Ich kann nicht sehen, nur hören, was nebenan vorgeht, und es hört sich an, als ob das Kind ganz allein mit dem Ball spielt:
Plopp… Trapptrapp… Plopp… Trappditrapp…
und ihn in dem Klang nach in den Sandkasten kickt: Plopp, fump….

Trapptrapptrapp…

Mutter (eilig): Nein, du betrittst die Sandkiste nicht in Socken. Zieh bitte zuerst Deine Socken aus!
Kind (protestiert): Mamaaaaaaaaaaaaaaaaaaa Baaaahaaaaaaaaaaaaaaaall!!!
Mutter (pädagogisch ruhig): Ja, Du kannst Deinen Ball holen. Doch zuvor zieh Deine Socken aus.
Kind (jammert): Baaahaaaaaaaaaall!!!!!!!!!!
Mutter (ungerührt): Du musst zunächst die Schuhe ausziehen, dann die Socken
Kind (kreischt): BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAALL!!!!
Mutter (betont ruhig): Zieh die Schuhe aus. Nein, nicht so. Setz Dich zuerst auf die Erde und dann nimm den Riemen in die Hand.
Kind (heult): Baaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaall…
Mutter: Nein durch die Öse, führe den Riemen durch die Öse!
Kind (heult nun schon leiser): Baaaaaaaaaaaaaal…
Mutter: So. Nun an der zweiten Sandale… Durch die Öse, ja.
Wimmernde Geräusche vom Kind
Mutter: So und jetzt die Socken. Nicht auf die Erde werfen! Nein, erst wieder Schuhe anziehen. Setz Dich wieder auf die Erde.

Gleich geh ich rüber und zieh dem Kind selbst die Schuhe an.

Das Kind heult, macht aber wohl, was Mama sagt.

Kind (wieder fröhlich): Mammmaaaaaaa Baaaaaall!
Mutter (mit wichtigeren Dingen beschäftigt): Jaja, spiel schön.

Trapptrapptrapp… Plopp… Trapptrapp… Plopp…

Kind (hat etwas entdeckt): Mamaaa?
Keine Reaktion.
Kind (lauter): Maammaaaaaa?
Immer noch keine Reaktion.

Kind (schreit): MAAAAMMMAAAAAAAAAA!!!!
Mutter (indigniert): Ja doch…
Kind (staunt): Mama, Bäääääääääääääär!
Mutter (bemüht pädagogisch): Ja da ist ein Bär auf den Ball gemalt, das heißt, nein, es ist Winnie, Winnie der Puh!
Kind (strahlt): Bääär!
Mutter (jetzt sehr beflissen): Nein, nicht Bär. Winnie der Puh. Das ist der Name des Bären. Und schau, da ist auch sein Freund, Tiger.

Nee, Tante, der heißt Tigger, mit zwei G, wenn du schon so großen Wert auf die richtigen Namen legst!

Kind (strahlt): Bär!
Mutter (bemüht geduldig): Nein, Winnie der Puh!
Kind (strahlt): Bär!
Mutter (genervt): Nein, Winnie der Puh!
Kind (strahlt): Bär!
Mutter (um erzieherischen Auftrag bemüht): Nicht doch, es sind Winnie der Puh und Tiger. Und sieh nur, sie haben Konservenbüchsen geleert, sie mit einer Leine verbunden und diese gespannt. Jetzt können sie kommunizieren.

Stille.

War’s das jetzt?

Kind (strahlt): Bär!

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Foto:
pixabay


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